Wie wichtig ist der Transport bei einer nachhaltigen Ernährung?

03. Dezember 2020 | von Dominique Giacomini
Lebensmitteltransporte

Quelle: www.agrolab.com

Welchen Einfluss auf die Nachhaltigkeit hat ein langer Transportweg? Wie relevant ist der Konsum von regionalen/nationalen Produkten? Wann spielt der Transport keine Rolle?

Bereits zwei Mal hat der FoodTalk nun stattgefunden. Bei der letzten Ausgabe vom 9. November 2020 ging es um die Rolle des Transportes bei der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln. Es diskutierten online via Zoom Karin Novack von Biosuisse, Patricia Mariani von der Kleinbauernvereinigung und Tobias Joos von Crowd Container. Im Folgenden haben wir für dich eine Zusammenfassung des spannenden Austausches zusammengestellt. 

Im Hinblick auf die Umweltbelastung resp. deren Vermeidung kommt es bei einem Lebensmittel vor allem auf die Anbauweise an. Fragen nach Pestizideinsatz, Bodenbearbeitung und Futtermittel bei Fleisch fallen für die Nachhaltigkeitsbewertung stärker ins Gewicht als der Transport eines Lebensmittels. Dennoch kann grundsätzlich gesagt werden, je kürzer die Strecke, die ein Lebensmittel zurücklegt, desto besser. Die anderen Aspekte – dazu gehören auch soziale Aspekte – sind aber stärker zu gewichten und auf keinen Fall ausser Acht zu lassen. Oftmals wichtiger als die geografische Distanz, ist die Struktur und Länge der Wertschöpfungskette. Direktere Beziehungen zwischen Konsumierenden und Produzierenden dank kurzen Lebensmittelketten erlauben für grössere Transparenz, Einflussnahme und gegenseitige Wertschätzung.

Ein paar Faustregeln zur Orientierung

• Keine Lebensmittel konsumieren, die per Flugzeug importiert wurden (Tobias Joos, Crowd Container)

• Auch den eigenen Einkaufsweg mitberücksichtigen! D. h. nicht für nur 4 Eier mit dem Auto zum Hofladen fahren. Wenn dann, einen Grosseinkauf machen oder gleich noch für Freunde und Nachbarn einkaufen und den Weg dorthin dann machen, wenn man eh in der Nähe ist. Oder aber (zu Fuss oder mit dem Fahrrad) auf dem Wochenmarkt einkaufen. So findet der Austausch zwischen Produzent und Konsument statt und der Produzent macht den Weg einmal in die Stadt, anstatt viele Konsumenten zu ihm fahren (Konklusion aller Expert*innen)

• Lebensmittelkonsum allgemein: 80% pflanzlich, 20% regional tierische Produkte sowie 80% aus der Schweiz oder Region und 80% Bio. Das gesunde Mass macht es am Ende aus (Karin Nowack, Bio Suisse)

Konkrete Fragen und detaillierte Antworten

Die Antworten wurden zusammengefasst aus den Aussagen der drei Expert*innen Karin Nowack (Bio Suisse), Patricia Mariani (Kleinbauernvereinigung) und Tobias Joos (Crowd Container). Bei einigen Aussagen wird vermerkt, von wem sie stammen.

Bei welchen Produkten / Produktkategorien sollte ich beim Einkauf am meisten auf kurze Transportwege achten?

· Gemüse, Früchte, Getränke: Sie sind relativ schwer und der Transport benötigt entsprechend viel Energie.

· Tierische Produkte: Sie sind in der Schweiz zu Genüge vorhanden. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, woher die Futtermittel stammen. (BioSuisse berücksichtigt diesen Aspekt)

· Frische Produkte: Je frischer (und damit je kürzer der Transportweg), desto besser der Geschmack! Wenn frische (reife) Produkte von weit herkommen, müssen sie mit dem Flugzeug transportiert werden, damit die Transportdauer möglichst kurz ist. Dies wirkt sich negativ auf die Ökobilanz aus.

· Saisonal: Äpfel kommen zwar von hier, wenn diese aber bis im Frühling gekühlt gelagert werden müssen, kommt irgendwann ein Zeitpunkt, nachdem es für die Ökobilanz mehr Sinn macht, sie aus dem Ausland frisch zu importieren. Denn die Kühlung und Lagerung ist mit Energieaufwand und zum Teil mit Fungizideinsatz verbunden. Am besten also: Die Lebensmittel dann von hier beziehen, wenn sie hier Saison haben und damit reif und frisch konsumiert werden können.

· Soziale Komponente: Der Lebensmitteleinkauf kann auch eine soziale Bedeutung haben: Kauft man in der Region ein, hat man evtl. noch eine persönliche Beziehung zum Produzenten. Das ist je nach persönlichem Ermessen wichtiger als die Klimaauswirkungen des Transports.

Bei welchen Grundnahrungsmittel kann die Schweiz den Eigenbedarf nicht decken? Woher sollen/dürfen diese “maximal” importiert werden?

Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz bei tierischen Produkten ist sehr hoch. Bei Gemüse und Früchten beträgt er rund 50 %, bei pflanzlichen Fetten 23 %, bei Getreide liegt er zwischen 60-80 %. Durchschnittlich liegt der Selbstversorgungsgrad der Schweiz bei rund 50 %. Die “tolerierbare” Distanz für importierte Lebensmittel ist schwierig zu beurteilen auch hier gilt: Wichtiger sind die Anbaubedingungen, die Standortgeeignetheit vor Ort und die Qualität der Lebensmittel. Z. B. macht es für Bio Suisse Sinn, Getreide aus Kanada zu importieren, weil dort die Bedingungen für den Getreideanbau sehr gut sind. Wenn es vergleichbare Produkte aus verschiedenen Distanzen gibt, ist es aber sicher immer besser, das Nähere zu bevorzugen.
In die Schweiz wird Futtermittel importiert, vor allem für Hühner und Schweine und für den Kraftfutterbedarf der Rinder. Daher sollen Weiderinder bevorzugt werden, die kein importiertes Futter fressen. (Karin Nowack, Bio Suisse) 

Gemäss einer Studie kann die Schweiz sich selber versorgen, wenn
1. weniger Fleisch gegessen wird
2. weniger Lebensmittel verderben / weggeworfen werden
3. wir weniger Kalorien zu uns nehmen (viele von uns essen zu viel bzw. zu wenig hochwertige Lebensmittel)

Exportiert die Schweiz auch Lebensmittel? 

Die Schweiz exportiert veredelte Produkte im Hochpreissegment wie Käse und Schokolade. Oftmals werden dafür Rohstoffe günstig aus dem Ausland importiert und dann hochpreisig exportiert. Es gibt zudem versteckte Transporte, wie wenn z. B. Schweizer Äpfel in Deutschland zu Apfelmus verarbeitet und dann wieder in die Schweiz importiert werden.
Der Zuckeranbau wird in der Schweiz stark subventioniert. Sein Anbau ist hierzulande aber viel energieintensiver als im Ausland (z.B. in Südamerika).

Macht es Sinn, hier Zucker zu produzieren?

Bio-Produktion von Zucker ist in der Schweiz sehr anspruchsvoll. Er wird von Bio Suisse aber auch gefördert, weil man so z. B. 100 % Schweizer Konfitüren herstellen kann, wo der Zucker dann eben auch hierzulande seinen Ursprung hat. Das hat mit dem Anspruch der Regionallabels zu tun und ist wichtig für die Vermarktung als komplett regionales Produkt. Ob das ökologisch sinnvoll ist, ist in diesem Falle eher zweitrangig. Vergleicht man Ökobilanzen zum Zuckeranbau und -produktion, gibt es unterschiedliche Resultate. Die Kriterien und deren Gewichtung variieren leider je nach Auftraggeber der Studien (Karin Nowack, Bio Suisse).
Die Schweizer Zuckerrüben sind zudem für den konventionellen Anbau gezüchtet, wo Pestizide und synthetische Dünger zum Einsatz kommen. Möchte man Zucker biologisch und ökologisch anbauen, so muss noch viel an der Saatgut-Zucht gearbeitet werden, damit unsere Pflanzen widerstandsfähiger sind und damit weniger dem Druck von Krankheiten ausgesetzt sind (Tobias Joos, Crowd Container). 

Welche Labels geben Auskunft zu Transportwegen und was steckt dahinter?

Es gibt bislang keine Labels, welche explizit Information zu Transportwegen geben. Es gibt jedoch viele Labels, welche auf Regionalität abzielen, aber da gibt es grosse Unterschiede, was «regional» bedeutet. Zudem ist bei vielen Regio-Labels noch ein Anteil an «nicht-regionalen» Rohstoffen erlaubt, da muss genau hingeschaut werden.

Diese beiden Links liefern einen guten Überblick zu verschiedenen Labels:

https://www.labelinfo.ch/

https://www.konsumentenschutz.ch/sks/content/uploads/2017/07/17_05_regionallabels_hintergrundbericht_def.pdf

Gibt es Ansätze/Massnahmen um nachhaltige Transportarten (z.B. Schiene statt LKW oder Schiff statt Flugzeug) zu fördern? Was wird bereits mit Bahn/Schiff befördert?

Swissmill transportiert zum Beispiel, was immer geht, mit der Bahn. Grosse Mengen aus Übersee kommen grundsätzlich mit dem Schiff in die Schweiz. Für den Schiffstransport gibt es vermehrt auch Richtlinien und Entwicklungen, damit dieser Transport sauberer wird. Es gibt auch bereits Elektroschiffe. (Karin Nowack, Bio Suisse)
Bei Grossmengen mag der «ökologische» Transport einfach sein, bei kleinteiligen Mengen, wie wir sie z. B. beim Crowd Container haben, ist das viel schwieriger. Es gibt z. B. eine Zugverbindung von Sizilien in die Schweiz, aber es ist aktuell noch nicht umsetzbar, 20 Paletten per Bahn zu transportieren. Die Auftragnehmer scheuen die hohen Kosten. Wir haben viel mit der SBB und Cargoverantwortlichen diskutiert. Anstatt sich die Zähne an diesen grossen Hürden auszubeissen, haben wir uns entschieden, besser auf den ökologischen Anbau zu fokussieren. Einmal mehr: Dieser fällt stärker ins Gewicht als der Transport. (Tobias Joos, Crowd Container)

Wie steht es um die vegane Ernährung? Diese wird häufig als besonders nachhaltig vermarktet. Die (Ersatz-)Produkte kommen jedoch meist aus dem Ausland.

Vegane und vegetarische Ernährung ist bzgl. Ökobilanz besser, aber auch hier ist es wichtig, auf den Anbau der vegetarischen Produkte zu achten. Es würde Sinn machen, in der Schweiz mehr Hülsenfrüchte anzubauen und nur dort Fleisch zu produzieren, wo die Tierhaltung keine Konkurrenz zum Acker- oder Gemüsebau ist wie z. B. im Berggebiet. Zudem sind Fleischersatzprodukte oft aufwändig und energieintensiv verarbeitet. Hochverarbeitete Produkte sind auch für den Körper weniger wertvoll. Quorn wird z. B. von Bio Suisse nicht zertifiziert, weil es zu stark verarbeitet ist.

Food Talk im Restaurant Karl Der Grosse Zürich. Interaktion mit Konsumenten/Talk/Podium. Zürich, 14.9.20

Über den FoodTalk

Zusammen mit Slow Food Zürich Stadt, Kerngrün und dem Ernährungsforum Zürich organisieren wir regelmässige Diskussionsrundem zum Thema nachhaltiger Konsum. Wir nehmen Fragen auf, die euch beschäftigen und Expert*innen in diesem Bereich beantworten sie dir!

Hier kannst du Teil der Crowd Container Community werden und dich aktiv einbringen.

Dominique Giacomini

Als Geschäftsleiterin des Vereins Crowd Container liegt mir unsere Community sehr am Herzen. Ich bin überzeugt, dass wir am meisten erreichen, wenn wir uns gemeinsam für die Vision eines zukunftsfähigen Ernährungssystems einsetzen!

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