Killen Kühe das Klima?

Wie können wir eine vielfältige, klimapositive Landwirtschaft ermöglichen? Diese Frage treibt uns von Crowd Container an. Ein Besuch bei der Käseproduzentin Braida Dür im Val de Travers machte deutlich, warum an ihrem Standort die Graslandwirtschaft der richtige Weg für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion ist.
Für eine ökologische und artgerechte Tierhaltung: Graslandwirtschaft
Die zentrale Rolle in der Graslandwirtschaft spielen Kühe. Als Wiederkäuer ist Gras ihr natürliches Futter, das Weideland ist für die direkte menschliche Ernährung ungeeignet. Gleichzeitig pflegen die Kühe durch das Abgrasen das Weideland. Diese Pflege der Weiden und Böden ist aber nur möglich, wenn die Anzahl der Tiere nicht zu gross ist und die Weideflächen ausreichend Erholungszeit erhalten. Trotz dieser positiven Aspekte ist die Graslandwirtschaft nicht unumstritten: Kühe werden gemeinhin als Klimakillerinnen bezeichnet, weil sie bei der Verdauung klimawirksames Methan ausstossen. In Ökobilanzen schneidet Rindfleisch deshalb regelmässig schlecht ab. Was heisst das nun für die Beurteilung der Graslandwirtschaft? Zwei zentrale Punkte sind hierbei zu berücksichtigen.
- Graslandwirtschaft, wie sie von Braida betrieben wird, sorgt für einen geschlossenen Nährstoffkreislauf. Die Kühe ernähren sich ausschliesslich vom Gras rund um den Bauernhof im Val de Travers. Es wird kein Kraftfutter aus Mais oder Soja von aussen zugeführt, sodass die Ackerfläche an anderen Orten für die direkte menschliche Ernährung genutzt werden kann.
- Dank Graslandwirtschaft kann Kohlenstoff in den Böden gespeichert werden. Wie gross der Effekt der CO2-Bindung ist und inwiefern er den Methanausstoss der Kühe kompensieren kann, muss jedoch noch weiter untersucht werden.

Tiere in der Landwirtschaft – Teil des Problems oder Teil der Lösung?
Trotz positiver Seiten der Graslandwirtschaft, eine Landwirtschaft ohne Tiere ist möglich. Dies beweisen beispielsweise unsere Partner*innen in Sizilien, die auch ohne tierische Inputs wie Gülle ökologischen Anbau betreiben können. Als natürlichen Dünger verwenden sie Hülsenfrüchte, darunter Linsen oder Kichererbsen, dank denen dem Boden wieder Stickstoff zugeführt werden kann. Auch in der Schweiz ist ein solcher Anbau grundsätzlich machbar und teilweise schon umgesetzt – jedoch nicht überall. Insbesondere im Berg- und Hügelgebiet ist der Ackerbau aus wirtschaftlichen, aber auch aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll. Die sogenannte Graslandwirtschaft ist dort der Schlüssel zum Erfolg und kann aus unserer Sicht zu einer vielfältigen, klimapositiven Landwirtschaft beitragen. Kühe pauschal als Klimakillerinnen zu bezeichnen, ist darum verfehlt.
Unbestritten bleibt aber, dass für die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung und die Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft der Konsum tierischer Lebensmittel drastisch gesenkt werden muss.

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Hinweis zu einem Anlass des Bioforums Schweiz
Samstag, 18. September 2021, 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr:
Die Kuh, das Klima und der Boden — Wie gelingt eine positive Entwicklung?
Wertvoller Beitrag von dir Benjamin und Gedanken von dir Eva!
Liebe Grüsse
Corinne
Lieber Benjamin
Ich bin mehrheitlich nicht mit dir einverstanden.
Erstmal gibt es keine sogenannte artgerechte Tierhaltung von Nutztieren. Damit die Menschen die Kuhmuttermilch konsumieren können, werden den Mutterkühen direkt nach der Geburt oder wenige Tage danach die Kälber weggenommen. Das ist für die Kühe und ihre Babys grauenvoll und oft schreien sie tagelang nach ihren Kleinen. Kaum eine Mutter gibt ihr Baby freiwillig ab und kein Baby will von seiner Mutter getrennt werden, das ist bei anderen Tieren nicht anders als bei uns Menschen.
Beim Thema Fleisch begleitet mich ein Zitat: „Es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren, nur von toten Tieren“. Das sagt alles.
Und ob die Graslandwirtschaft für die Biodiversität wirklich sinnvoll ist, wage ich wenigstens zu bezweifeln. Wäre es nicht sinnvoller, der Natur Flächen zurückzugeben, die überhaupt nicht bearbeitet werden?
Ausserdem würde mich sehr interessieren, wie drastisch die Reduktion von tierlichen Produkten sein müsste, damit es klimaverträglich wäre. Haben Sie da Zahlen? Ich weiss nur, dass in Deutschland 96% der tierlichen Produkte aus Massentierhaltung stammen. Im Umkehrschluss müssten wir also den Konsum von tierlichen Produkten um sicher 90% reduzieren, oder was denken Sie?
Danke fürs zur Kenntnis nehmen und eine schöne Zeit,
Freundliche Grüsse
Mirjam
Liebe Mirjam,
vielen Dank für deine Rückmeldung. Es stimmt, dass Fleisch von toten Tieren stammt. Aus meiner Sicht sollten jedoch auch die Lebensumstände der Tiere berücksichtigt werden. Auf dem Hof von Braida Dür werden die Kälber eben nicht bei der Geburt von der Mutter getrennt, sie können zusammenleben. Gemolken wird nur die Restmilch.
Genaue Zahlen, wie stark der Konsum tierischer Produkte reduziert werden muss, sind relativ schwierig zu berechnen. Die Eat Lancet Kommission hat dies aber getan und empfiehlt einen Konsum von 100g rotem Fleisch, 400g Ei/Fisch/Poulet und 1.75l Milchprodukten pro Woche. Es gilt zu berücksichtigen, dass es sich dabei um einen globalen Durschnitt handelt, der an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden muss. Hier zwei Links dazu:
https://eatforum.org/lancet-commission/farmers
https://eatforum.org/content/uploads/2019/07/EAT-Lancet_Commission_Summary_Report.pdf
Bezüglich Biodiversität ist festzuhalten, dass auf extensiv bewirtschaftetem Grasland grundsätzlich eine hohe Biodiversität vorzufinden ist. Durch die Bewirtschaftung werden diese Graslandflächen erhalten und es kommt nicht zu Vergandung bzw. Verwaldung.
Ich hoffe, dir mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Beste Grüsse, Beni
Hallo Beni
Danke für den Beitrag. Was mich noch interessiert: Betreiben Brida und Lucas auch Mutterkuh/Kalb – Haltung? Also: Belassen die Kälber bei der Mutterkuh und verwenden nur die ,übrigbleibende‘ Milch?
Liebe Grüsse
Anna
Hallo Anna,
vielen Dank für deine Frage. Die klassische Mutterkuhhaltung ist auf die Fleischproduktion ausgerichtet (wobei weniger Protein pro Fläche produziert werden kann, d.h. weniger ressourcenschonend produziert wird). Braida macht eine sogenannte muttergebundene Kälberaufzucht, bei der die Kälber nicht von der Mutter getrennt werden. Es wird nur die „übrigbleibende“ Restmilch gemolken.
Liebe Grüsse,
Beni
Hallo
Vielen Dank für diesen Beitrag! Du sprichst mir aus dem Herzen!
Ich helfe gelegentlich auf einem Bauernhof mit. Für mich auch immer wieder sehr eindrücklich ist, dass viele Erzeugnisse, die für den menschlichen Konsum nicht (mehr) verwendet werden können (wegen Frassstellen aussortierte Kartoffeln, Getreide, das die Kriterien für die Weiterverarbeitung nicht erfüllt, zu reife Früchte etc.), in die Tierfütterung gehen. Würden die Tiere diese Erzeugnisse nicht verwerten, müssten diese wohl kompostiert werden, bevor sie wieder aufs Feld ausgebracht werden können. Dies würde auch wieder Emissionen (Bewirtschaftung des Komposts) verursachen. Wäre mal spannend zu wissen, wie die „Schlussbilanz“ aussieht, wenn man dies miteinbezieht…
Hallo Eva,
vielen Dank! Du sprichst einen spannenden Punkt an. Gewisse Erzeugnisse werden leider auch zu schnell als nicht mehr für den menschlichen Konsum geeignet angesehen (Stichwort „unförmiges Gemüse“). Da wären wir dann schon wieder bei einem weiteren Thema: Food Waste. Hierzu organisieren wir nächstens eine Diskussionrunde im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe FoodTalk: https://eventfrog.ch/de/p/essen-trinken/foodtalk-5-nachhaltiger-lebensmittelkonsum-foodwaste-6819560527648776908.html
Liebe Grüsse,
Beni