2022 – Es war ein wilder Ritt

16. Februar 2023 | von Simone Häberli
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Im Jahr 2022 wurden wir alle durchgeschüttelt. Die Konsument*innen-Stimmung war seit Messbeginn in den 70er Jahren noch nie so tief – auch die Bio-Branche trifft es hart. Es geht ans Eingemachte. Und dennoch: Wir sind mächtig stolz, wie wir das letzte Jahr gemeistert und was wir gemeinsam mit euch geschafft haben nur ein Wermutstropfen bleibt.

201 Tonnen Lebensmittel

Im Supermarktregal überwiegen die Lebensmittel aus einseitiger Landwirtschaft, standardisiert und anonym produziert. Die industriell bearbeiteten Anbauflächen werden immer grösser. Kunstdünger maximiert die Erträge und Maschinen steigern die Produktivität. Pflanzenkrankheiten breiten sich in Monokulturen rasant aus und müssen mit immer grösserem Mitteleinsatz bekämpft werden. Sinkende Grundwasserspiegel und Erosion sind die Folgen eines übernutzten, toten Bodens. Wenn wir so weitermachen, bleiben uns noch 60 Ernten, bis der fruchtbare Boden verbraucht ist.

Deprimiert? Nein, denn es gibt bereits Lösungen! Regenerative Anbauformen brauchen weder Gift noch Kunstdünger. Sie nutzen natürliche Kreisläufe und die Vielfalt der Natur. Das klingt herausfordernd. Aber genau diese Art der zukunftsfähigen Landwirtschaft habt ihr mit euren Bestellungen unterstützt. Im letzten Jahr habt ihr 201 Tonnen Lebensmittel im Wert von 1.7 Millionen Franken über uns bestellt.

204 Fussballfelder zukunftsfähiger Landwirtschaft

Insgesamt ermöglichten eure Bestellungen zukunftsfähige Landwirtschaft auf einer Fläche von 146 Hektaren Land. Das entspricht mehr als 200 Fussballfeldern oder 150 Bauernhöfen in Südindien – oder gerade mal acht Durchschnittsbetrieben in der Schweiz. Diese Zahl zeigt klar und deutlich: Bei aller Freude über die Entwicklung der letzten Jahre war dies nur der erste Schritt zur Umsetzung unserer Vision. Ein Grund zum Verzweifeln? Auf keinen Fall. Viel entscheidender ist, dass wir in die richtige Richtung gehen und aufzeigen, was möglich ist.

«Ackerbau im Berggebiet ist aufwendig und anspruchsvoll. Dank deiner Unterstützung erhalten wir für unsere Bergackerprodukte faire Preise.»

Georges Blunier vom Biohof Dusch in Paspels

Dank euch hat sich unser Ansatz eines 100% transparenten Handels weit über die Anfangserfolge hinaus bewährt. Indem ihr einen kostendeckenden Preis bezahlt, ermöglicht ihr die Aussaat vielfältiger Sorten, den Anbau in Mischkulturen, die Pflege von Agroforstsystemen und das Schliessen von Kreisläufen auf innovativen Höfen.

Produzent*innen im Fokus trotz weniger flüssiger Mittel

Nach den beiden Corona-Jahren mit grossem Wachstum wurde der Markt für biologisch produzierte Lebensmittel im Jahr 2022 stark durchgeschüttelt. Der unabhängige Bio-Fachhandel kam dabei unter die Räder, während die Supermärkte weiter an Dominanz gewannen. Auch an uns ging diese Entwicklung nicht spurlos vorbei: Nach einer Periode des stürmischen Wachstums verzeichneten wir im Vergleich zum Vorjahr erstmals einen Bestellrückgang um rund 15 Prozent, der alle Beteiligten, insbesondere aber die innovativen Landwirt*innen schmerzt. Von den rund 1.7 Millionen Franken Umsatz floss schliesslich mit 42 Prozent erneut der grösste Anteil zurück in den regenerativen Anbau. Weitere 29 Prozent des Umsatzes entfielen auf Logistikkosten. Unsere Bruttomarge lag mit rund 29 Prozent knapp unter unserer Zielgrösse von 30 Prozent, was im letzten Jahr leider nicht ausreichte, unsere operativen Fixkosten zu decken.

Aber auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten bleibt das Fundament von Crowd Container intakt: Die auf lange Frist angelegte Zusammenarbeit mit unseren Partner*innen auf drei Kontinenten beruht auf dem gemeinsamen Verständnis einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und dem Drang, den Status quo herauszufordern. Der Sturm, der um uns herum tobt, öffnet diesbezüglich neue Perspektiven.

Tomatenpassata-Knappheit wegen Klimawandel

Schon zwei Sommer in Folge war es in Sizilien aussergewöhnlich heiss. Längere Hitzephasen mit Temperaturen über 40°C haben den im Freiland angebauten Tomaten von Valdibella stark zugesetzt. Dabei wird der «Siccagno»-Anbau, der bis anhin ganz ohne Bewässerung auskommt, auf Sizilien schon seit Generationen praktiziert. Die Wurzeln konnten in den letzten zwei Jahren aber nicht mehr genügend Wasser aus dem völlig trockenen Boden saugen, mehr als die Hälfte der Blüten vertrocknete und die Erträge waren besorgniserregend tief.

«Die grösste Herausforderung der kommenden Monate wird sein, Wege zu finden, mit dem Klimawandel umzugehen. Die typischen Merkmale eines mediterranen Klimas gehen immer mehr verloren. Wir testen deshalb klimaresistentere Sorten und Methoden, die das Leben und das Wachstum der Pflanzen unter erschwerten Bedingungen unterstützen. Dazu zählt z.B. die Direktsaat ohne Bodenbearbeitung, um den Boden unter anderem vor Austrocknung zu schützen.»

Walter Pirri von der Partnerkooperative Valdibella in Sizilien
Zwei sehr heisse Sommer sorgten 2022 für Ernteausfälle bei den Tomaten

Wir etablieren die Haselnuss in der Schweiz

90 Prozent der in der Schweiz konsumierten Haselnüsse stammen aus der Türkei. Oftmals herrschen dort mangelhafte Arbeitsbedingungen und die Lieferketten sind intransparent. Obwohl die Haselnuss in der Schweiz heimisch ist, gibt es fast keine lokalen Haselnüsse: Das Wissen zur Sortenwahl und Kulturführung ist kaum vorhanden und es ist schwierig, an gutes Pflanzmaterial zu kommen. Das möchten wir ändern. Mit der ersten grösseren Haselnussanlage im Kanton Zürich helfen wir seit 2022 mit, die Biodiversität konkret und lokal zu fördern. Zusätzlich stärken wir die einheimische Landwirtschaft und fördern hoffentlich schon bald den regionalen Handel.

«Gemeinsam mit der Crowd Container Community sammle ich Wissen über 50 verschiedene Haselnusssorten. Damit möchten wir den Anbau von Haselnüssen in der Schweiz etablieren.»

Haselnussbauer Stefan Gerber aus Mettmenstetten ZH
Landwirt Stefan Gerber erklärt die Unterschiede zwischen den Haselnusssorten auf seinem Hof in Mettmenstetten ZH

Über 750 Teilnehmende an 31 Events

Wir sind den Fragen unserer Community auch 2022 nachgegangen und haben die Öffentlichkeit immer wieder proaktiv sensibilisiert. Über 750 Teilnehmende haben im letzten Jahr an 31 von uns mitorganisierten Events teilgenommen. Dabei wurden an unseren FoodTalks über eine zukunftsfähige Landwirtschaft und den heutigen Lebensmittelkonsum diskutiert oder auf einem unserer Partnerhöfen mitgearbeitet. So eine Reichweite haben wir noch kein Jahr davor erzielt!

Diskussion am FoodTalk im Dezember 2022 in Basel über ein genussvolles und nachhaltiges Weihnachtsessen

Food Forest in Sizilien

Auch im Food Forest, unserem von der Community unterstütztem Permakulturprojekt in Sizilien, hat sich einiges getan. Trotz eines abermals rekordverdächtigen Hitzesommers haben die meisten Jungbäume 2022 überlebt – das Agroforstsystem hat sich dank seiner Resilienz wiederum bewährt. 

Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen des Austausches zwischen den Mitgliedern der Sozialgenossenschaft NOE, unserer Community und weiteren Akteur*innen wie zum Beispiel die Alumnae und Alumni der ETH World Food System Center Summer School, die das Projekt besucht haben.

Im Food Forest pflanzen wir mehrjährige Bäume und landwirtschaftliche Ackerkulturen auf derselben Fläche. Dieses Anbausystem ist dank seiner Diversität widerstandsfähiger gegenüber den Folgen des Klimawandels.

Der Sinn als unser Motor

Wir möchten die heutige Welt verändern, wie Lebensmittel produziert, gehandelt und konsumiert werden – immer mit dem Ziel, dass wir unserer Vision einer vielfältigen, klimapositiven Landwirtschaft näherkommen. Diesen starken und lebendigen Purpose empfinden wir als das Fundament einer modernen und vor allem menschlichen Arbeitskultur und den Schlüssel zur Selbstorganisation. Deshalb haben wir uns im letzten Jahr als erstes Schweizer Unternehmen in ein sogenanntes «Purpose Unternehmen» umgewandelt – weg vom herkömmlichen Finanzierungsmodell hin zu Verantwortungseigentum und alternativem Kapital. Wir sind damit in der Schweiz Pionierin einer globalen Bewegung, die Eigentum neu denkt – für eine grundlegende Veränderung der Wirtschaft in Richtung Verantwortung und Sinnhaftigkeit.

Zusammen mit euch wollen wir auch dieses Jahr Perspektiven für innovative Produzent*innen schaffen und weltweit eine vielfältige, klimapositive Landwirtschaft ermöglichen. Schön, dass ihr mit an Bord seid!

Simone Häberli

Die leidenschaftliche Gemüsegärtnerin bindet unsere Community aktiv mit ein und liebt es, die richtigen Menschen miteinander zu vernetzen.

12 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Susanne am 21. November 2023 um 9:46

    Liebe Marisa
    Herzlichen Dank für deinen Rückruf und die wertvollen Auskünfte über das Projekt. Ich werde bei euch bestellen, finde die Idee Crowd Container sehr gut und wünsche euch allen Kraft für das weitere Engagement.
    Herzliche Grüsse
    Susanne

  2. Veröffentlicht von Regula Blaser-Frehner am 7. Oktober 2023 um 12:37

    Liebes Crowd-Container-Team,
    Ganz herzlichen Dank für euren unermüdlichen Einsatz für Boden, Pflanzen, Tier und Menschen – für die Natur und all die Produzent*innen.
    Es sind tolle Produkte!
    Ich gratulieren euch zu eurem nachhaltigen Projekt und wünsche weiter gutes Gelingen.

  3. Veröffentlicht von Wera am 20. Februar 2023 um 19:31

    Stolz, dabeisein zu können!

  4. Veröffentlicht von Mia am 19. Februar 2023 um 22:35

    Deshalb haben wir uns im letzten Jahr als erstes Schweizer Unternehmen in ein sogenanntes «Purpose Unternehmen» umgewandelt – weg vom herkömmlichen Finanzierungsmodell hin zu Verantwortungseigentum und alternativem Kapital. >> Was genau bedeutet denn das?

    • Veröffentlicht von Sabine Thommen am 21. Februar 2023 um 8:16

      Liebe Mia
      Danke für dein interessiertes Nachfragen. Verantwortungseigentum bedeutet, dass wir statutarisch festgelegt haben, dass allfällige Gewinne in die Verwirklichung der Crowd Container Vision investiert und nicht privatnützig abgeschöpft werden. Dies setzt Geldgeber*innen voraus, die die langfristige, wertetreue Entwicklung unseres Unternehmens höher gewichten, als die kurzfristige Gewinnmaximierung. Mehr Informationen zum Konzept des Verantwortungseigentums findest du auf der Website von Purpose.
      Melde dich gerne noch einmal, wenn du weitere Fragen hast.
      Liebe Grüsse
      Sabine

  5. Veröffentlicht von Avani am 19. Februar 2023 um 8:09

    Was für ein Luxus, dass ich mit meinen Bestellungen die Früchte eurer komplexen Arbeit ernten darf, die ihr nur mit viel Ausdauer und Überzeugung leisten könnt. Vielen Dank für euer Engagement! Ich drücke euch die Daumen für ein rundes Crowd Container-Jahr und empfehle euch wacker weiter.
    Herzliche Grüsse
    Avani

  6. Veröffentlicht von Catherine Iseli am 18. Februar 2023 um 20:01

    Ich würde gerne wissen, wie die Menschen auf dem Foto heissen – ich nehme an, das sind alles Leute, die für Crowdcontainer arbeiten.
    Herzlichen Dank für Eure kostbare Arbeit!
    Catherine Iseli

    • Veröffentlicht von Sabine Thommen am 20. Februar 2023 um 11:13

      Liebe Catherine

      Ja genau, das im Titelbild sind wir, die Crowd Container Crew: Von links nach rechts siehst du Beni, Marisa, Sabine, Selina, Simone & Simon.
      Danke für dein Feedback – schön, bist du mit dabei!

  7. Veröffentlicht von Philip Jacobsen am 18. Februar 2023 um 15:30

    Liebe CC Aktivist(inn)en
    Danke für Euren Einsatz und herzlichen Glückwunsch für Euer gutes Gelingen bei erschwerten Bedingungen.
    Macht weiter so, weil es Euch braucht.
    Herzliche Grüße
    Philip

  8. Veröffentlicht von Rita Magdalena Müller am 18. Februar 2023 um 10:23

    Ich gratuliere euch zu eurem beharrlichen Einsatz für die Natur und den Menschen und alle Wesen!
    Macht weiter so
    R M Müller (CH)

  9. Veröffentlicht von Helen Häberli am 18. Februar 2023 um 10:02

    Hoi Simone, toll was ihr macht! Danke für euer Engagement!
    Liebe Grüsse
    Helen

  10. Veröffentlicht von Caroline am 18. Februar 2023 um 8:00

    Vielen Dank für diese transparente und sehr wertvolle Info und Aufklärung gleichzeitig! Ich schätze das als Konsument sehr und freue mich immer wieder, wenn ich wieder was Leckeres mit gutem Gewissen bestellen und dann geniessen kann

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