Blüte & Bestäubung der Hasel – neue Erkenntnisse für eine Kultivierung in der Schweiz
Barcelona, Butler, Ennis, Hallesche Riesen, Walter + Heidi: Namen, die auf den ersten Blick scheinbar nichts gemein haben. Sie bezeichnen jedoch fünf der 53 Haselnusssorten, die Stefan Gerber auf seinem Hof in Mettmenstetten ZH anpflanzt. Von Ende Dezember 2022 bis Ende März 2023 hat Stefan beobachtet, wann die verschiedenen Sorten blühen – und dabei erste Erkenntnisse gewonnen, die für die künftige Kultivierung der Haselnuss in der Schweiz zentral sind.
Bestäubung der Hasel
Damit wir Stefans Erkenntnisse nachvollziehen können, müssen wir zuerst verstehen, wie die Hasel bestäubt wird:
- Die Hasel wird durch den Wind bestäubt. Die Pollen der männlichen Blüte einer Sorte werden auf die weiblichen Blüten einer anderen Sorte gewindet. Letztere Sorte entwickelt dann die Früchte, aus denen die Nüsse entstehen.
- Damit die Bestäubung funktioniert, müssen die Sorten genetisch kompatibel sein sowie die männlichen und weiblichen Blüten zweier Sorten gleichzeitig blühen.
- Grundsätzlich wird zwischen Bestäuber- und Ertragssorten unterschieden. Bei den Bestäubersorten sind viele männliche Blüten erwünscht, bei den Ertragssorten viele weibliche, damit im Sommer möglichst viele Haselnüsse heranwachsen.
Erprobte Paare sind Tonda Romana (Bestäubersorte) und Tonda di Giffoni (Ertragssorte): Die Tonda Romana bestäubt mit den Pollen ihrer männlichen Blüten die weiblichen Blüten der Tonda di Giffoni. Die Tonda di Giffoni ist eine ertragreiche Industriesorte und daher eine der populärsten Haselnusssorten.
So viel zur Theorie – aber was hat Stefan konkret herausgefunden?
- Die Blüten der Tonda Romana und der Tonda di Giffoni überlappen sich auf Stefans Hof nicht, daher funktioniert diese Kombination in unseren Breitengraden vermutlich nicht.
- Sorten, die vor Mitte Februar blühen, sind gegenüber Frosteinbrüchen zu anfällig. Darum kommen für den Schweizer Anbau hauptsächlich spätblühende Ertragssorten in Frage.
- Im diesjährigen Sortenversuch hat sich zudem abgezeichnet, dass es vor allem noch an spätblühenden Bestäubersorten fehlt. Ab Mitte März fehlen die Pollen, um die weiblichen Blüten, die bis Ende März dauern, zu Ende zu begleiten. Dieses Missverhältnis stellt möglicherweise ein Problem für die Bestäubung dar.
Fazit und Ausblick
Die südländischen Haselnusssorten (wie z.B. die Tonda di Giffoni) dürften in der Schweiz aufgrund der frühen Blüte nur mit hohem Risiko von Spätfrösten kultivierbar sein. Es gibt aber viele andere Sorten, die gut im hiesigen Klima gedeihen. Für einen erfolgreichen Anbau in der Schweiz braucht es zum einen spätblühende Ertrags- und Bestäubersorten, die im Rahmen unseres Projektes ausfindig gemacht werden. Zum anderen hängt die Eignung der Ertragssorten vom Geschmack und der Grösse der Nüsse sowie der Schädlingsanfälligkeit der Pflanze ab. Über diese Parameter können wir nach der Ernte im Herbst mehr berichten. Sicher ist: Wir dürfen uns künftig auf noch kaum bekannte und trotzdem schmackhafte Haselnusssorten freuen!
Über das Haselnussprojekt: Obwohl die Haselnuss in der Schweiz heimisch ist, gibt es fast keine lokalen Haselnüsse: Das Wissen zur Sortenwahl und Kulturführung ist kaum vorhanden und es ist schwierig, an gutes Pflanzmaterial zu kommen. Das möchten wir ändern. Unser Ziel ist es deshalb, die erste grössere Haselnussanlage im Kanton Zürich aufzubauen, um die Biodiversität konkret und lokal zu fördern.