Ein unerwartetes Paket
Fränzi staunte nicht schlecht, als letztes Jahr völlig unverhofft ein Paket aus Indien mit dem Absender von unseren Partnern in Indien, der «Fair Trade Alliance Kerala» (FTAK), bei ihr eintraf. Dessen Inhalt beschäftigt sie noch bis heute.
Die Geschichte beginnt vor sechs Jahren, als die studierte Agronomin und gelernte Käserin Franziska Akert nach Südindien gerufen wurde, um den Produzent*innen von FTAK die Kunst der Kakao-Fermentierung näher zu bringen. Obwohl der Kakao-Strauch Theobroma Cacao schon seit mehr als hundert Jahren einen gesicherten Platz im Ökosystem der durchschnittlich rund 1 Hektar umfassenden keralesischen Waldgärten hat, war es den Produzent*innen bisher nicht möglich, Kakaobohnen von höchster Qualität herzustellen. Für gewöhnlich wurden die teilweise getrockneten, teilweise aber auch noch rohen Kakaobohnen in unterschiedlichster Qualität an grosse, industrielle Abnehmer wie Cadbury geliefert. Diese Lebensmittelgiganten mischen zum Kakao Kakaobutter und weitere Zusatzstoffe hinzu, schmelzen es zu grossen Platten und verkaufen es als Kuvertüre an Schokoladenhersteller auf der ganzen Welt. So der Status Quo, bis Fränzi kam.
Vom Käse zum Kakao
Ihr Wissen über die Kakaoverarbeitung sammelte die Wädenswilerin während einem Praktikum in Peru. «Doch schon vor Peru, während meiner Ausbildung zur Käserin in Andeer, spürte ich eine Leidenschaft für die Haltbarmachung landwirtschaftlicher Erzeugnisse». Und so war der Sprung vom Käse zum Kakao, und von Andeer nach Peru zumindest gefühlt auch gar nicht weit.
Zurück in der Schweiz, lässt Fränzi die Schoggi-Faszination nicht mehr los. Gemeinsam mit Andi Brechbühl – einem Kommilitonen – unternimmt sie erste Röstversuche im heimischen Backofen. Mit dem Haarföhn blasen sie die Schalen weg, um die freigelegten Bohnen dann in einem kleinen Melangeur zu zermalmen. Das war 2013. Heute produzieren sie unter dem Namen «Garçoa» in einer kleinen Garage in Zürich Wollishofen rund zwei Tonnen sortenreine Schokolade aus vier Ursprüngen in Peru, Ghana und Indien.
FTAK’s langer Weg
Nach ihrem Besuch in Kerala 2013 hatte Fränzi sechs Jahre lange nichts mehr von FTAK gehört. Bei ihrem Aufenthalt in Südindien wurde ihr klar: Eine sichere Trocknung der Kakaobohnen gestaltete sich in Keralas feuchtwarmen Klima viel schwieriger als in Peru: «Wir mussten auf die andere Seite des Gebirges fahren, wo es trockener war. Nur so liessen sich die Bohnen nach der Fermentierung trocknen, ohne sie der Gefahr von Pilzbefall auszusetzen. Es war sehr aufwendig, und ehrlich gesagt rechnete ich auch nicht damit, dass da noch etwas kommen würde», erzählt sie.
Umso überraschter war Fränzi, als sie die richtig gut fermentierten und getrockneten Kakaobohnen aus dem Paket in ihre Hände nahm und sich an einen ersten Röstversuch wagte.
Bean to Bar
Die Tüftelei beginnt. «Bean to Bar» nennt sich das, was seit 2005 immer mehr kleine Schokoladenmanufakturen mit viel Leidenschaft auf der ganzen Welt praktizieren. Neben seinen puristischen Ansprüchen darf das Verfahren durchaus auch als Emanzipation gegenüber industriellen Fertigungstechniken betrachtet werden. Garçoa selbst umschreibt es so:
«Unser Ziel ist es, den Geschmack jedes einzelnen Kakaos in die fertige Schokolade zu bringen. Das geht nur, indem wir die gesamte Verarbeitung in kleinen Chargen von der Bohne bis zur Tafel selbst übernehmen. Zuerst selektieren wir den Kakao von Hand, dann schälen, rösten und mahlen wir ihn, geben etwas Bio-Rohrzucker hinzu und zum Schluss giessen wir die Schokoladenmasse in unsere eigens hergestellten Formen. Wir verzichten auf jegliche Zusatzstoffe wie beispielsweise Kakaobutter, Lecithin etc., die sonst in so mancher Schokolade landen. Das garantiert, dass ausschliesslich der Geschmack der Kakaobohnen in unserer Schokolade steckt, und trotzdem jede Tafel ganz anders schmeckt.»
Und so hat auch die Tafel aus Kerala ihren ganz eigenen Charakter. Fränzi reicht mir eine unförmige Platte Bruchschokolade zu: «Das ist das Resultat von der Kakaoprobe aus dem Paket». Ich lasse mir dieses edle Stück Handarbeit genüsslich auf der Zunge zergehen. Aromen von Rosinen und getrockneten Pflaumen wecken meine Liebe zu dieser Schokolade und den Gedanken, davon doch noch mehr zu bestellen, als ich schon habe.
Garçoa X Crowd Container
Neben der richtigen Einstellung des Schmelzpunkts der Schokolade, der je nach Sorte um ein Zehntel Grad abweichen kann, stellt die Kakao-Beschaffung eine der grössten Herausforderungen für die kleinen «Bean to Bar»-Manufakturen dar. Kakaobohnen werden im Welthandel mit der Einheit «Container» gehandelt. Da ein Container aber viel zu viel Kakao für die kleinen Produktionsstätten enthält, sind Kleinabnehmer auf Zwischenhändler angewiesen. Und da ist Vertrauen gefragt, weil ja nicht irgendein Kakao, sondern eben genau dieser eine mit einem bestimmten Ursprung und einer bestimmten Sorte in die Schokolade kommen soll. Am besten macht man es selber, was einen aber vor riesige logistische Herausforderungen stellt.
Genau diese scheinbar unüberwindbaren Hürden waren es auch, die Crowd-Container-Gründer Tobias Joos dazu veranlassten, im Jahr 2016 einen ersten Container voll mit Gewürzen, Reis, Kaffee und Cashews aus Kerala in die Schweiz zu importieren. Und weil sich Fränzi und Tobias schon lange persönlich kennen, lag die Kooperation im Fall von Keralas Kakao auf der Hand.
Drei Säcke Kakao
Aufgrund dieser Geschichte kann bei uns nun Schokolade aus dem hervorragenden Kakao der keralesischen Waldgärten mitbestellt werden. Die Gesamtmenge Kakao im Container ist aber noch immer überschaubar und liegt bei drei Säcken à je 50kg.