Lokal hergestellte Lebensmittel – die richtige Wahl?
Aus der Region, für die Region. Hergestellt in der Schweiz. Die lokale Produktion ist ein beliebtes Verkaufsargument. Inwiefern bieten lokal produzierte Lebensmittel ökologische und sozioökonomische Vorteile? Gibt es Lebensmittel, bei denen eine Produktion im Ausland sinnvoller wäre?
Am dritten Basler «FoodTalk» beleuchteten folgende Expert:innen genau diese Aspekte und beantworteten Fragen aus dem Publikum:
- Anik Thaler, Agronomin & Co-Gründerin fabas – radikal lokal
- Emilia Schmitt, Umweltwissenschaftlerin & wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW, Forschungsgruppe Geography of Food
- Michèle Hürner, Projektleiterin Direktvermarktung Bio Suisse
- Peter Saner, Jurist & Geschäftsführer Bauernverband beider Basel BVBB
Regionale Produkte beziehen
Regiomarken haben im Supermarkt grossen Erfolg – auch wenn nicht immer klar ist, was hinter den jeweiligen Labels steckt. Ein relativ grosses Sortiment regionaler Produkte haben in Basel und Umgebung die Landi-Läden zu bieten, die im Gegensatz zu den eher national ausgerichteten VOLG-Läden bei Frischwaren auf Regionalprodukte setzen. Es bräuchte aber noch viel mehr Vermarktung. Da die Landi nicht präsent ist in den Städten, hat es die Stadtbevölkerung etwas schwieriger. Besonders, wenn sie lokale Lebensmittel ohne Zwischenhandel beziehen möchte – dies ist oft mit nur mit grossem Beschaffungsaufwand und viel Idealismus vonseiten der Konsument:innen möglich. Wie also können die regionalen und lokalen Produkte noch besser sichtbar und verfügbar gemacht werden?
Verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten
Zur Sensibilisierung und Sichtbarkeit tragen Events wie der FoodTalk bei, aber auch Werbung auf Social Media. Es braucht in der heutigen Zeit neue Formen der Vermarktung – Kollaborationen und engere Partnerschaften zwischen verschiedenen Akteur:innen können ein Schlüssel sein, um den Absatz lokaler Produkte anzukurbeln. Für Produktionsbetriebe wie fabas ist zudem die Verfügbarkeit der Produkte in den Regalen grosser Detailhändler:innen ein sehr wichtiger Kanal, um die eigene Arbeit sichtbar zu machen.
Logistik als Knacknuss
Für einen erfolgreichen Transfer lokal produzierter Lebensmitteln auf die Teller der Stadtbevölkerung stellt eine effiziente Logistik aktuell die wohl grösste Knacknuss dar. Hier kann man von den Detailhändler:innen lernen, denn diese bringen Lebensmittel seit Jahrzehnten erfolgreich und wirtschaftlich zu den Menschen. Interessant sind auch neue Lösungsansätze, eine regionale Logistik aufzubauen, wie beispielsweise «Feld zu Tisch». Wichtig ist, dass die Transportkosten möglichst gering bleiben, damit die Produkte nicht verteuert und den Bauernbetrieben faire Preise bezahlt werden.
Ist eine lokale Produktion überhaupt ökologischer?
Lokale Produkte haben nicht automatisch eine bessere Ökobilanz. Regionale Transportwege müssen zwingend effizient organisiert werden, ansonsten fällt die Bilanz negativ aus. Für den Wocheneinkauf mit dem eigenen Auto in den Hofladen zu fahren, ergibt z.B. wenig Sinn. Bei der Beurteilung lokaler Produktion sind überdies zwei weitere Punkte berücksichtigen: Zum einen soziale Aspekte, wie den direkteren Austausch zwischen Produzent:innen und Konsument:innen. Zum anderen kann die Schweiz sich aktuell nicht selbst versorgen.
Selbstversorgungsgrad der Schweiz
Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz liegt aktuell bei ca. 50%. 100% lassen sich beim jetzigen Konsumverhalten nicht erreichen – und vor allem nicht gesundheitsverträglich, wie eine Studie von Agroscope ergeben hat. Wir würden dann, um auf unsere Kalorien zu kommen, nur noch Zucker und Kartoffeln essen, dies wäre auf Dauer ungesund. Konsument:innen sind sich heutzutage ausserdem eine bunte, vielseitige und vor allem internationale Ernährung gewohnt. Dies dürfte sich in Zukunft nicht ändern.
Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz ist daher weniger relevant als die Frage, wie wir unser Ernährungssystem nachhaltiger gestalten können. Autarkie ist eine Illusion. Unsere Ernährung ist nur international zu sichern, denn ausser Lebensmitteln beziehen wir auch Maschinen, Saatgut oder Arbeitskräfte aus dem Ausland. Daher stellen sich folgende Fragen: Was sollte sinnvollerweise in der Schweiz produziert werden? Und bei welchen Nahrungsmitteln macht es Sinn, sie aus dem Ausland zu importieren?
Graslandwirtschaft & Schweizer Hummus
Bei tierischen Produkten sollte in der Schweiz sinnvollerweise auf Grasfresser (Rinder, Kühe) und weniger auf Geflügel und Eier gesetzt werden. Dies, weil es in der Schweiz viel Grasland gibt, das nicht für den Acker- oder Gemüsebau genutzt, sondern nur mithilfe von Wiederkäuern bewirtschaftet werden kann. Auch der Anbau Schweizer Hülsenfrüchte weist viele Vorzüge auf. Hülsenfrüchte binden Stickstoff im Boden und dienen dadurch als natürlicher Dünger. Werden Schweizer (Kicher-)Erbsen zu Hummus verarbeitet, können pflanzliche Proteine zudem direkt verwertet werden, ohne den aufwendigen Umweg der Verfütterung in tierische Proteine zu nehmen.
Vorteile der lokalen Produktion
Direktvermarktung lokaler Produkte ist eine attraktive Option für viele Bauernbetriebe, es bleibt am meisten Wertschöpfung in den Betrieben hängen. Mit guten Vorbildern und Erfahrungsaustausch können mehr Betriebe ermutigt werden, den Schritt in die Direktvermarktung zu gehen und damit resilienter zu werden gegenüber dem steigenden Preisdruck und den immer höheren Anforderungen an Betriebseffizienz. Lokale Wertschöpfungsketten bringen auch aus wissenschaftlicher Sicht viele Vorteile mit sich. Welche es konkret sind, kann von Fall zu Fall variieren. Besonders sinnvoll sind die direkte Vermarktung ohne Zwischenhändler:innen, weil ein Bauernbetrieb damit eine höhere Wertschöpfung erwirtschaften kann. Die Nähe der Konsument:innen zur Produktion schafft ausserdem Transparenz und einen direkten Bezug: «Ich weiss, woher die Lebensmittel auf meinem Teller kommen».
Der FoodTalk wird gemeinsam organisiert von Crowd Container, dem Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung, der Genossenschaft Lebensmittel Netzwerk Basel – «Feld zu Tisch», «Genuss aus Stadt und Land», der IG Ernährungsforum, dem Impact Hub Basel, der Markthalle Basel, Slow Food Basel sowie dem Zero Waste Innovation Lab.
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