Wie ernähren wir uns in zehn Jahren?

Im Rahmen des Eröffnungsfestes der Berner Nachhaltigkeitstage am 10. September 2022 haben wir mit folgenden Gästen die Frage diskutiert, wie wir uns in zehn Jahren ernähren:
- Sonja Schönberg, Ernährungswissenschaftlerin & wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berner Fachhochschule (BFH), Departement Gesundheit, Fachbereich Ernährung & Diätetik
- Annekathrin Jezler, Umweltingenieurin, Projektleiterin bei der OGG Bern (Ökonomische Gemeinnützige Gesellschaft Bern) & foodwaste.ch, Teil von GartenNetzBern
- Lukas Aeschlimann, Co-Gründer von Bern Unverpackt & Vorstandsmitglied Gassenarbeit Bern
Klimaneutrale Stadt Bern bis 2045 – Welche Massnahmen im Ernährungssystem braucht es dafür?
Aktuell wird viel ehrenamtliches Engagement in nachhaltige Projekte im Bereich Ernährung investiert. Die Stadt sollte bessere Plattformen für bereits bestehende Initiativen und mehr Vernetzungsmöglichkeiten bieten. Beispielsweise könnte die Stadt ein Ladenlokal wie eine nachhaltige Markthalle zu günstigen Mietkonditionen anbieten. Ausserdem wird rund ein Drittel der Lebensmittel in Privathaushalten weggeworfen – die Stadtbevölkerung kann also auch noch einiges zu einem nachhaltigen Ernährungssystem beitragen. Sensibilisierungskampagnen der Stadt Bern sollten dies unterstützen. Solche Kampagnen braucht es auch für den nachhaltigen Konsum tierischer Produkte, insbesondere Fleisch. Diese verursachen im Vergleich zu pflanzlichen Produkten weitaus höhere Treibhausgasemissionen. Momentan liegt der Prokopf-Fleischkonsum in der Schweiz mit rund 50kg/Jahr (ca. 1kg/Woche) weit über dem globalen Durchschnitt. Wie sähe ein klima- und gesundheitsverträglicher Konsum aus?
Weisses, rotes oder doch «Ersatz»-Fleisch?
Die sogenannte Planetary Health Diet (PHD), mit der eine gesunde Ernährung für die gesamte Weltbevölkerung sichergestellt werden soll, schreibt keine konkrete Zahl für den Fleischkonsum fest. Es wird jedoch ein Rahmen vorgeschlagen: 0 bis max. 300 g Fleisch pro Woche & Kopf – wobei weisses Fleisch, häufig Geflügel, bevorzugt werden soll. Geflügel schneidet hinsichtlich Ökobilanz am besten ab und ist ausserdem sehr fettarm und gesund. Allerdings werden Masthühner oftmals mit Mais oder Weizen gefüttert, die Fütterung der Hühner steht somit in direktem Konflikt zur menschlichen Ernährung. Somit hat auch rotes Fleisch seine Berechtigung, v.a. in der Schweiz, wo das viele Grasland am besten mit Kühen bewirtschaftet wird.
Was muss sich ändern, damit dieser problematische Fleischkonsum sich verringert? Warum ist es so schwierig, auf Fleisch zu verzichten?
Konsument*innen müssen sensibilisiert und motiviert werden. Es braucht gewisse Fähigkeiten, um mit pflanzlichen Proteinen kochen zu können. Genau hier setzt beispielsweise Bern Unverpackt an: Für die angebotenen (Protein-)Produkte, wie Tempeh-Bolognese aus Bio-Soja, erhalten die Kund*innen Informationen zu Nährstoffen und Zubereitungstipps.
Neben der Wissensvermittlung ist auch die Wertschätzung der Lebensmittel ein zentraler Punkt: In der Schweiz geben wir weniger als 10% unseres Haushaltbudgets für die Ernährung aus. Darum ermöglicht Urban Gardening in Bern der Stadtbevölkerung, Erfahrungen in Bezug auf natürliche Prozesse zu sammeln und zu verstehen, was alles hinter der Produktion unserer Lebensmittel steckt.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, möglichst das ganze Tier zu verwerten („nose-to-tail“). Der Vorteil: Wenn nicht nur die Filetstücke, sondern weitere Teile eines Tieres verwendet werden, braucht es weniger Tiere für die gleiche Menge Fleisch. Vor 100 Jahren war dies eine Normalität, heute weiss kaum jemand mehr, wie z.B. Nierenstücke schmackhaft zubereitet werden können. Der zusätzliche Zeitaufwand ist hierbei aber nicht zu unterschätzen.
Eine Vision für unsere Ernährung in zehn Jahren
Der Fleischkonsum wird reduziert, Tofu als Fleischalternative ist dabei super: Soja ist ernährungsphysiologisch sehr wertvoll, weil sehr proteindicht. Ausserdem stammt das Soja für hier gekauften Tofu (schon heute) meistens aus Europa. Dass das Soja für den Tofu aus sogenanntem „Regenwaldanbau“ stammt, kann in der Regel ausgeschlossen werden.
In zehn Jahren ist der Stellenwert regionaler Projekte und Produkte hoch, die einzelnen Akteur*innen sehen sich eher als Ergänzung denn als Konkurrenz – es werden mehr Kooperationen gestartet, z.B. zwischen Unverpacktläden, Cafés und Markständen. Bern Unverpackt soll dabei eine noch grössere Plattform für regionale Produkte bieten und die Zugänglichkeit, z.B. mithilfe von Heimlieferungen, verbessern.
Der FoodTalk wird gemeinsam organisiert von Crowd Container, Bärenhunger, BENE – Verein für Nachhaltige Entwicklung an den Universität Bern, dem Ernährungsforum Bern und der BFH-HAFL – Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften.
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