2023 – Ein Spagat zwischen Heidilandromantik und der Realität auf dem Feld

18. Januar 2024 | von Simone Häberli
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Gesunde Böden, ein unverfälschter Geschmack und totale Transparenz in der Lebensmittelkette – dafür stehen wir ein. 2023 war eine wichtige Etappe in diesem Marathon und gleichzeitig ein ewiger Spagat zwischen den Vorstellungen: Die Gesellschaft möchte eine romantische Heidiland-Wirtschaft sehen, welche die Umwelt nicht belastet. Gleichzeitig haben Lebensmittel aus einer achtsamen Produktion ihren Preis und die Arbeit dahinter ist kein Freizeitvergnügen. Ihr wisst diese Anstrengungen zu schätzen und erkennt die Komplexität. Wir sind mächtig stolz, wie wir gemeinsam das letzte Jahr gemeistert haben.

131 Hektaren zukunftsfähige Landwirtschaft

Heute ist unser Essen praktisch überall und jederzeit verfügbar. Im Supermarktregal überwiegen Lebensmittel aus einseitiger Landwirtschaft, standardisiert und anonym produziert. Wir wissen oft nicht mehr, wie unser Essen angebaut oder produziert wurde. Wie viel Handarbeit bei gewissen Lebensmitteln nötig ist und wie erschwert die Arbeitsbedingungen auf dem Feld sein können. Wir bieten mit Crowd Container eine Alternative: Mehr Diversität auf Feld und Teller sowie direkter Kontakt zu den Produzent*innen, damit ein echter Austausch stattfinden kann und falsche Vorstellungen gelöst werden. Über 712’000 Menschen haben wir 2023 mit unseren Botschaften zu nachhaltiger Produktion und Ernährung erreicht. Gleichzeitig habt ihr im letzten Jahr 182 Tonnen Lebensmittel im Wert von 1.5 Millionen Franken über uns bestellt und so über 131 Hektaren zukunftsfähige Landwirtschaft ermöglicht. Der mit 44 Prozent weitaus grösste Anteil der Einnahmen floss zurück zu den Produzent*innen. 27 Prozent entfielen wiederum auf Logistikkosten. Unsere Bruttomarge lag mit rund 29 Prozent weiterhin knapp unter unserer Zielgrösse von 30 Prozent.

Zusammen mit euch gehen wir in die richtige Richtung und zeigen auf, was möglich ist. Denn kleinere Höfe, Manufakturen und Betriebe haben mit ihren kaum standardisierten Lebensmitteln und kleinen Erntemengen praktisch keinen Zugang zum Markt. Dabei ist nicht nur ihre Existenz in Frage gestellt, sondern auch die kleinräumigen und ökologischen Landwirtschaftsformen sowie das Fortbestehen von alten Sorten und hochwertigen Lebensmitteln, welche sich durch einzigartigen Geschmack statt Gleichförmigkeit auszeichnen.

«Dank Crowd Container erhalten auch wir als vielfältiger Kleinbetrieb eine Stimme und Zugang zum Markt.»

Sara und Patrick vom Bio-Hofwerk in Wilen bei Neuforn

Gemeinsam mit euch hat sich unser Ansatz eines 100% transparenten Handels weit über die Anfangserfolge hinaus bewährt. Indem ihr einen kostendeckenden Preis bezahlt, ermöglicht ihr die Aussaat vielfältiger Sorten, den Anbau in Mischkulturen, die Pflege von Agroforstsystemen und das Schliessen von Kreisläufen auf innovativen Höfen.

Die neue Generation Landwirtschaft

Unsere Produzent*innen waren auch 2023 unsere grösste Inspiration: So viele vielversprechende Höfe und Kooperativen aus der ganzen Welt haben im letzten Jahr mit uns zusammengearbeitet. Immer mit dem gemeinsamen Verständnis einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und dem Drang, etwas am Status quo ändern zu wollen. Allen voran zum Beispiel die junge und beeindruckende Produzentin Elena Cassisi aus Sizilien, die für eine neue Generation Landwirtschaft steht. Wir freuen uns sehr, dürfen wir diese inspirierende Frau seit 2023 ebenfalls zu unserem Netzwerk an Produzent*innen zählen. Im Sommer hat uns Elena Cassisi persönlich in der Schweiz besucht und uns von ihrer Arbeit, ihren Herausforderungen und ihrer Rolle als Frau in der männerdominierten Landwirtschaft erzählt. Hier gehts zum Blobeitrag inkl. Video.

«Ich glaube fest daran, dass wir gemeinsam biologische Vielfalt und einen gerechten Lebensmittelmarkt schaffen können!»

Landwirtin Elena Cassisi aus Sizilien

Grosses Medieninteresse für unsere ersten Zürcher Haselnüsse

Warum werden in der Schweiz kaum Haselnüsse angebaut, obwohl sie bei uns als Snack oder in der Schokolade so beliebt sind und die Haselnuss erst noch heimisch ist? Warum stammen über 80 Prozent der hierzulande gegessenen Nüsse aus der Türkei, wo oftmals mangelhafte Arbeitsbedingungen herrschen und die Lieferketten intransparent sind? Und warum wagen sich erst ganz wenige Landwirt*innen an den Anbau heran, obwohl dem Hasel unser Klima eigentlich ganz gut bekommt? Diese Fragen haben wir uns auch gestellt und deshalb zusammen mit dem Jungbauer und Biologe Stefan Gerber vor drei Jahren erfolgreich das Haselnussprojekt in Mettmenstetten gestartet. Die ersten 50 Kilogramm Haselnüsse konnten 2023 geerntet und verkauft werden. Was wir alles für Schweizer Pionierarbeit leisten und welche Überraschungen und Hürden es bislang gab, lest ihr am besten in unserem Interview mit Stefan Gerber. Ganz besonders gefreut hat uns 2023 auch das hohe Medieninteresse und die Artikel in der SonntagsZeitung, im Schweizer Bauer und allen voran die schöne Reportage im Magazin Bioterra.

«Gemeinsam mit der Crowd Container Community sammle ich Wissen über 65 verschiedene Haselnusssorten. Damit möchten wir den Anbau von Haselnüssen in der Schweiz etablieren und herausfinden, welche Sorten miteinander kompatibel sind.»

Haselnussbauer und Biologe Stefan Gerber aus Mettmenstetten ZH (links im Bild)
Über 40 interessierte Medienschaffende, Landwirt*innen und Konsument*innen besuchten im September die öffentliche Führung auf der Haselnussanlage in Mettmenstetten ZH

Über 450 Teilnehmende an 13 Events

Persönlicher Austausch – darauf haben wir 2023 immer wieder gesetzt. Über 450 Teilnehmende haben im letzten Jahr an 13 von uns organisierten Events teilgenommen. Dabei wurden an FoodTalks in verschiedenen Städten über den heutigen Lebensmittelkonsum diskutiert, unsere vielseitigen Produkte an diversen Tavolata-Abenden probiert oder auf einem unserer Partnerhöfen mitgearbeitet. Besonders berührt und nachdenklich blieben wir an der Tavolata Speciale im März zurück, als uns der ehemalige Feldarbeiter und Politaktivist Yvan Sagnet von seinem Kampf gegen die Ausbeutung in der Landwirtschaft in Süditalien erzählt hat.

«Schon vor der Reise verstehst du die Hölle, die dich erwartet. Wenn dann die Arbeit beginnt, kommt eine weitere, doppelte Hölle.»

Yvan Sagnet, ehemaliger Feldarbeiter und Politaktivist

Food Forest in Sizilien mit über 27 Vogelarten

Es ist unser Herzensprojekt auf Sizilien: Im sogenannten Food Forest haben wir 2020 mehrere Hundert Bäume, subtropische Pflanzen wie Avocados, Hecken und Gemüse auf derselben Fläche gepflanzt, um ein zukunftsfähiges Anbausystem zu etablieren. Entstanden ist mittlerweile ein gross angelegtes Permakultur-Projekt, dessen Einfluss auf die Umwelt wir auch wissenschaftlich begleiten. 2023 stand im Zeichen der Biodiversität. Rafael da Silveira Bueno, unser Projektleiter vor Ort und Ökologe an der Universität Palermo, hat uns erste wissenschaftliche Zwischenresultate präsentiert und sieben Fragen für die Community beantwortet. Alles in diesem Blogbeitrag!

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Die Sozialgenossenschaft NOE, welche das Land für den Food Forest gepachtet hat, steht unter hohem politischen Druck. Es ist unsicher, ob unsere Partner*innen das Land auch künftig bewirtschaften können. Auch wir haben ihre Petition unterstützt und setzen alles daran, dieses vielversprechende Projekt weiterverfolgen zu können.

Projektleiter Rafael da Silveira Bueno (Mitte) zeigt der Crowd Container Community u.a. die Artenvielfalt und Bodenbeschaffenheit beim Food Forest Besuch auf Sizilien

Der Sinn als unser Antrieb

Wir möchten die heutige Welt, wie Lebensmittel produziert, gehandelt und konsumiert werden, verändern – immer mit dem Ziel, dass wir unserer Vision einer vielfältigen, klimapositiven Landwirtschaft näherkommen. Diesen starken und lebendigen Purpose empfinden wir als das Fundament einer modernen und vor allem menschlichen Arbeitskultur. Wir haben uns deshalb 2023 im Team neu holakratisch organisiert. Das heisst, dass wir nicht mehr im traditionellen hierarchischen Modell mit einer Chefin oder einem Chef an der Spitze unterwegs sind, sondern selbstorganisiert mit zuständigen Rollen und Verantwortlichkeiten arbeiten. Mit diesem Organisationsmodell fahren wir heute sehr gut und können viele positive Energien freisetzen. Und noch etwas ist 2023 passiert: Wir sind erstmals in unser ganz eigenes Büro gezogen und sind neu in Zürich Wiedikon zu Hause.

Zusammen mit euch wollen wir auch dieses Jahr Perspektiven für engagierte Produzent*innen schaffen und mehr Geschmack und Vielfalt auf die Teller bringen. Danke, dass ihr mit an Bord seid!

Geschmack

Du erhältst Zugang zu Lebensmitteln mit einem unverfälschten Geschmack.

Gesunder Boden

Alle Produkte stammen aus einer vielfältigen Landwirtschaft frei von Pestiziden.

Transparenz

Wir schaffen 100% transparente Lieferketten vom Feld bis auf deinen Teller.

Direkt

Von Produzent*innen unseres Vertrauens ohne Zwischenhandel direkt zu dir geliefert.

Simone Häberli

Die leidenschaftliche Gemüsegärtnerin bindet unsere Community aktiv mit ein und liebt es, die richtigen Menschen miteinander zu vernetzen.

3 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Roland Imhof am 20. Januar 2024 um 8:59

    Hallo zämä
    Ich möchte euch recht herzlich Danke sagen. Für eure Idee, für eure Organisation und für euren Einsatz.
    Ihr ermöglicht , uns Konsumenten, fair produzierte Produkte auf einem einfachem Weg zu kaufen.
    Die Produkte, die ich bis jetzt eingekauft habe, waren alle wundervoll.
    Mögen es in Zukunft noch mehr solche Konsumenten/innen geben, die sich mit der Arbeit auf dem Feld, und eurer Arbeit auseinandersetzen und faire Preise bezahlen möchten.

  2. Veröffentlicht von Eva-Maria Bauder am 20. Januar 2024 um 8:51

    Ihr seid einfach toll! Ich bin immer wieder beeindruckt von eurem Einfallsreichtum, von der Art, wie ihr euer Angebot, euer Tun kommuniziert, von den Produzent:innen, die ihr aufspürt und begleitet. Bleibt dran. Alles was wir, die bewusst mehr Geld für diese Art von Lebensmitteln ausgeben, tun können, ist ebenfalls dabei bleiben und andere überzeugen, mitzuziehen.

  3. Veröffentlicht von Edith Funicello am 20. Januar 2024 um 7:01

    Ihr bringt es immer wieder auf den Punkt, gleichzeitig informiert ihr umfassend und beleuchtet das Thema der Nahrungmittel, deren Produktion und der Umwelt aus allen Blickwinkeln. Bravo!

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