Bottom-up – So entstehen unsere Preise

Wie fair sind die Preise von Crowd Container? Gerade weil wir uns an den Produktionskosten und Vorstellungen der KleinproduzentInnen orientieren, ist die Antwort auf diese Frage alles andere als einfach. Jedes Produkt ist anders und die Preisfindung kann zuweilen ziemlich komplex sein. Am Beispiel des Kaffees aus Peru möchte ich unseren Ansatz des sogenannten „Bottom-up Pricings“ genauer erklären.
Als ich das erste Mal im Sommer bei der Kooperative CAFHU in Peru zu Besuch war, habe ich die kleinen Agroforst-Kaffeefelder besucht und viel über den Anbau und die Verarbeitung erfahren. Carmencita und ihre Freunde haben einen klaren Plan, wie sie langfristig hochwertigen und ökologischen Kaffee herstellen wollen. Und sie haben klare Vorstellungen, wie sie ihre Organisation transparenter und demokratischer als andere Kooperativen in der Region gestalten wollen. Doch auf die Frage, welchen Preis sie für den Kaffee benötigen – um auch wirtschaftlich nachhaltig zu arbeiten – waren sie nicht vorbereitet.

Der Weltmarktpreis für Kaffee wird an der Börse in New York festgelegt. Er schwankt je nach Angebot und Nachfrage. Da Kaffee eines der meistgehandelten Güter überhaupt ist, wird damit auch kräftig spekuliert. Das heisst, der heutige Preis bildet immer bereits die Erwartungen für die Zukunft ab, was den Preis insgesamt volatiler macht. Was leider fast immer zutrifft: Der Preis deckt die Produktionskosten der KleinproduzentInnen nur ungenügend. Bei hohen Marktpreisen kommen sie gerade so durch, tiefe Preise verursachen hingegen schwere Krisen in den Kaffeeanbaugebieten. Kein Wunder sucht eine neue Generation ihr Glück fernab der Felder ihrer Eltern und landet dann oft in den Slums der Grossstädte.
Um diese Situation zu verbessern, gibt es Zertifizierungen wie zum Beispiel Fairtrade. Auch die Bio-Zertifizierung erlaubt es den KleinproduzentInnen, ihren Kaffee zu einem etwas höheren Preis zu verkaufen. Ganz abgesehen von den hohen Kosten solcher Zertifizierungen ist jedoch auch der Aufpreis an den Weltmarktpreis gebunden. Zwar gibt es im Fairtrade-System einen Mindestpreis, dieser liegt aber meist noch unter dem Weltmarktpreis. Für Bio- und Fairtrade-zertifizierten Kaffee liegt der Mindestpreis zurzeit bei 4.18 USD pro Kilogramm. Reicht das, damit die KleinbäuerInnen in Peru wirtschaftlich nachhaltig Kaffee anbauen können?

Diese Frage habe ich im letzten Sommer Carmencita, Erick, Manolo und Rogelio von der Kooperative CAFHU gestellt. Dann haben wir mit den Berechnungen angefangen. Wie hoch sind ihre wirklichen Produktionskosten? Aus der Diskussion entstand eine ziemlich komplizierte Tabelle. Wir fingen mit den Kosten der Setzlinge für die Erneuerung der Kaffeesträucher an, die durchschnittlich alle zehn Jahre nötig ist. Danach beschäftigten wir uns mit der Pflege der Felder und der Erntearbeit. Auch auf noch so kleinen Feldern benötigen die ProduzentInnen während der Erntesaison Hilfe. Eine angemessene Bezahlung der ErntearbeiterInnen ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch entscheidend für eine gute Kaffeequalität. Anschliessend berechneten wir die Kosten für die weiteren Arbeitsschritte vom Entfernen des Fruchtfleisches über das Waschen bis zum Trocknen des Kaffees. Die Kooperative kauft den Kaffee als sogenannter Pergamentkaffee den BäuerInnen ab. Danach organisiert die Kooperative das Abschälen der feinen Pergamenthaut, die Qualitätskontrolle, die Logistik und den Transport an den Hafen. Das Endresultat unserer Berechnungen zeigte uns, dass wir der Kooperative mindestens 7.85 USD pro Kilogramm bezahlen müssen, damit sie nachhaltig Kaffee von hoher Qualität produzieren können. Mit einer zusätzlichen Prämie von 0.75 USD pro Kilogramm investieren wir zusätzlich in den Aufbau der jungen Kooperative.
Den Preis haben wir am 18. Oktober 2017 definitiv festgelegt. An diesem Tag lag der Preis 280% über dem Weltmarktpreis und ca. 205% über dem Preis für Bio- und Fairtrade-zertifizierten Kaffee. Diesen Preis haben wir nicht willkürlich als ein Vielfaches des Weltmarktpreises festgelegt, sondern im Rahmen eines wohl überlegten Prozesses in Zusammenarbeit mit den ProduzentInnen. Deshalb nennt sich dieser Ansatz Bottom-up Pricing: ein Preis der „von unten“ Schritt für Schritt hergeleitet wird. Carmencita sagte danach: „So haben wir uns das noch nie überlegt. Aber der Prozess hat uns sehr geholfen, uns unserer Kosten bewusst zu werden. Dies ist sehr wichtig, damit wir als Kooperative unsere Zukunft planen können!“
Ist der Kaffeepreis von Crowd Container also fair? Dies bleibt eine schwierige Frage. Auch mit unserem Preis wird kein/e KleinproduzentIn reich. Bei den Löhnen haben wir uns an existenzsichernden Mindestlöhnen für Peru orientiert. Was wir aber mit Sicherheit sagen können: unser Preis basiert auf lokalen Realitäten. Und es ist ein viel besserer Deal, als der Markt oder irgendeine Zertifizierung den KleinbäuerInnen in Mendoza anbieten könnte.
Quellen Statistiken: https://www.fairtrade.net, http://www.ico.org, eigene Berechnungen
Das heißt, dass fairtrade Einkauf eher etwas für reichere Menschen ist und nicht für ärmere. Das ist eigentlich für uns nicht so fair. Ich helfe gerne, und das Obst ist wirklich sehr gut, aber ich weiß ganz genau, dass ich es mir nur in guten Monaten leisten kann, in schlechteren dagegen doch bei Aldi einkaufen muss, um überhaupt Obst essen zu können. Trotzdem hab ich es gern gemacht und werde es auch wieder tun, wenn ich es kann. Nur schade, dass es vor Weihnachten wohl nicht mehr möglich sein wird.
Liebe Birgit, vielen Dank für deinen Kommentar.
Schön, dass du auch schon mitbestellt hast bei uns. Du hast Recht: Ja, für Menschen mit tiefem Einkommen mögen die Preise bei Crowd Container überrissen erscheinen. Die Frage, wer wie viel verdient und welche Arbeit wie viel wert ist, wie wir mit benachteiligten Menschen in unserer Gesellschaft umgehen, sind grosse Fragen, auf die wir mit Crowd Container keine direkten Antworten haben.
Tatsache ist aber, dass es vielen von uns finanziell so gut geht, dass wir eine Wahl haben und wir im Schnitt verhältnismässig wenig ausgeben für unsere Lebensmittel. Heute sind es 6-7% unseres Haushaltseinkommens, welche wir für Essen verwenden. Vor 50 Jahren waren es rund drei Mal mehr – der Stellenwert von Lebensmitteln ist kleiner geworden… Bei Crowd Container ist eine zentrale Frage: Was ist uns unser Essen und die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern wert, wenn unsere Lebensmittel bodenschonend produziert werden? Wir sind der Überzeugung, dass Lebensmittelproduzent*innen dank unseres «Bottom-up Pricings» eine angemessene Entschädigung für ihre Arbeit und damit einen Lohn zum Leben erhalten. Hinsichtlich der Anbauweise und Preise (wer erhält wie viel entlang der Wertschöpfungskette?) bieten wir die notwendige Transparenz für einen Kaufentscheid. Diese Transparenz suchen wir andernorts im Lebensmittelhandel vergebens…
Auf jeden Fall gibt es aber auch andere Möglichkeiten als via Crowd Container eine zukunftsfähige und achtsame Landwirtschaft zu unterstützen! Vielleicht kennst du ja auch einen Betrieb in deiner Nähe, der auf eine bodenschonende, vielfältige Anbauweise achtet, bei dem du selber solche Lebensmittel direkt beziehen kannst? Dies wäre auch aus unserer Sicht die beste Wahl, sofern diese Option vor der eigenen Haustüre zur Verfügung steht …
Wie auch immer: Wir freuen uns, wenn du das eine oder andere Mal doch wieder bei uns an Bord kommen magst.
Liebe Grüsse
Sabine