«Ich musste selbst zuerst lernen, wie lecker Haselnüsse sind, wenn sie frisch sind»
Warum werden in der Schweiz kaum Haselnüsse angebaut, obwohl sie bei uns als Snack oder in der Schokolade so beliebt sind und die Haselnuss erst noch heimisch ist? Warum stammen über 80% der hierzulande gegessenen Nüsse aus der Türkei, wo oftmals mangelhafte Arbeitsbedingungen herrschen und die Lieferketten intransparent sind? Und warum wagen sich erst ganz wenige Landwirt*innen an den Anbau heran, obwohl der Hasel die Biodiversität fördern kann und ihm unser Klima eigentlich ganz gut bekommt?
All diese Fragen haben wir uns auch gestellt und deshalb zusammen mit dem Landwirt Stefan Gerber in Mettmenstetten unser Haselnussprojekt gestartet. Seit 2022 sind wir dran, gemeinsam mit ihm den lokalen Haselnussanbau zu etablieren und Schweizer Pionierarbeit zu leisten. Seit dem Projektstart ist einiges passiert, aber am besten erzählt Stefan Gerber selbst, was wir bislang alles geschafft haben, was es für Überraschungen und Hürden gab und wann wir wohl zum ersten Mal selbst in den Genuss der lokalen Haselnüsse aus Mettmenstetten kommen. Wir haben Stefan fünf Fragen gestellt – es folgt eine erste Zwischenbilanz.
1. Was ist in den beiden letzten Jahren im Haselnussprojekt alles passiert?
Phuu einiges … Wir haben 1’600 Haselnussbäume auf 2.5 Hektaren gepflanzt und daneben einen Sortengarten mit 53 verschiedenen Sorten angelegt. Mithilfe des Haselnusssortengartens möchten wir in Erfahrung bringen, welche Sorten für unser Schweizer Klima am besten geeignet und am ertragreichsten sind (→ Blogbeitrag zur Blüte & Bestäubung der Hasel). Diese Erkenntnisse werden es in Zukunft erlauben, interessierten Landwirt*innen Sortenempfehlungen für den Haselnussanbau in der Schweiz abgeben zu können. Obwohl die Haselnuss in der Schweiz heimisch ist, gibt es fast keine lokalen Haselnüsse: Das Wissen zur Sortenwahl und erfolgreichem Anbau ist kaum vorhanden und es ist schwierig, an gutes Pflanzmaterial zu kommen.
… und was lief alles punkto Biodiversität?
Unser Ziel ist es, die erste grössere Haselnussanlage im Kanton Zürich aufzubauen, um die Biodiversität konkret und lokal zu fördern. Wir haben dazu verschiedene Massnahmen zur Biodiversitätsförderung umgesetzt, wie etwa die Anlage einer Hecke im letzten Herbst und Blühstreifen für Insekten im Frühjahr. All diese Massnahmen werden durch Crowd Container wissenschaftlich begleitet: Wir nehmen seit 2021 jährlich Bodenproben und machen Blattanalysen. Zusammen mit der Ö+L GmbH sind wir daran, möglichst viele Arten der Flora und Fauna auf dem Hof in einem Biodiversitäts-Gesamtinventar abzubilden. Und myclimate erstellt eine Ökobilanz für uns, damit wir den CO2-Ausstoss sowie die gesamte Umweltverträglichkeit des lokalen Haselnussanbaus kennen.
2. In den letzten Monaten war folglich einiges los bei dir auf dem Hof. Was hat dich dabei am meisten überrascht?
Der Einsatz zahlreicher Freiwilliger aus der Crowd Container Community. Ohne diese Unterstützung wäre vieles nicht möglich gewesen! Wir konnten in den letzten Monaten gemeinsam verschiedene Arbeiten in der Anlage umsetzen. Wir haben zum Beispiel Bäume und eine vielfältige Wildhecke gepflanzt, die jungen Haselnussbäume mit Bambusstangen stabilisiert und immer wieder Holzschnitzel zur Unterdrückung des Graswachstums verteilt. Das hat mich alles sehr entlastet. Auch das Interesse und Engagement aus der Community haben mich sehr beeindruckt.
3. Erst wenige Landwirt*innen wagen sich an den Haselnussanbau heran wie du. Wo siehst du Herausforderungen und Hürden?
Generell ist das ganze Projekt ein Experiment. Die ersten Jahre sind ganz grundsätzlich eine Herausforderung, weil ich wenig einnehme und viel investieren muss, nicht nur in den Anbau und in die Maschinen und Werkzeuge, sondern vor allem auch in die Wissensgenerierung und Datenerhebung, denn diese Kultur ist weitgehend Neuland in der Schweiz – und dies obwohl unser Klima dem Hasel eigentlich ganz gut bekommt und die Nuss hier heimisch ist. Diese Tatsache zeigt, dass gegenüber anderen Kulturen noch ein grosser Aufholbedarf besteht. Die Etablierung einer «neuen» Kultur bietet aber auch eine Chance, um die einheimische Landwirtschaft zu diversifizieren und zu stärken.
Neben der Sammlung von Sortenkenntnissen ist aktuell auch der Schutz der Haselnussbäume ein grosses Thema. In den letzten Jahren litten zum Beispiel verschiedene Produzent*innen in der Deutschschweiz und im grenznahen Ausland unter Pilz- und Baumwanzenbefall. Zusammen mit den beiden Kompetenzzentren Inforama und Andermatt Biocontrol Suisse versuchen wir deshalb mehr Wissen zu generieren, mit dem Ziel biologische Pflanzenschutzprotokolle für unser Klima zu erarbeiten.
4. Was kommt als nächstes im Haselnussprojekt? Welche Arbeiten stehen an?
Auf der Anlage steht gerade die Heckenpflege an. Das hohe Gras hat die jungen Heckenpflanzen teilweise schon fast überwachsen, sodass sie freigelegt werden müssen, um wieder etwas mehr Licht und weniger Wasserkonkurrenz zu erhalten. Dafür stehen auch wieder einige Community-Events zum Mithelfen an.
Am Samstag, dem 2. September gibt es wieder eine öffentliche Führung durch die Haselnussanlage. Die letztjährige Führung stiess auf grosses Interesse – neben Konsument*innen waren auch Medienschaffende, Landwirte und Lebensmittelverarbeiter unter den Teilnehmenden. Das breite Interesse an der Haselnusskultur freut mich natürlich sehr. Die Sensibilisierung für Innovation in der Landwirtschaft, gesunde Ernährung und nachhaltige Produktion ist wichtig.
5. Wann können wir die Haselnüsse von dir aus Mettmenstetten geniessen?
Dieses Jahr ist der Behang an den Bäumen gut und es zeigen sich auch noch keine Anzeichen von Pilzen. Die Bäume sind aber noch klein. Ich rechne dieses Jahr deshalb erst mit ein paar Dutzend Kilogramm Ertrag. Ein paar glückliche Nussliebhaber*innen werden also schon dieses Jahr in den Genuss von frischen Haselnüssen aus dem Zürcher Säuliamt kommen – je nach Erntemenge auch via Onlineshop von Crowd Container. Für grössere Mengen braucht es aber noch ein wenig Geduld. Erst ab dem nächsten Jahr rechne ich damit, dass auch ein breiteres Publikum bedient werden kann. Ich freue mich schon auf die erste sinnvolle Ernte. Den Qualitätsunterschied zu den Nüssen ab Laden finde ich erwähnenswert. Ich musste selbst zuerst lernen, wie lecker Haselnüsse eigentlich sind, wenn sie frisch sind.
Wer mehr wissen möchte über Haselnüsse, dem sei das neu erschienene Buch wärmstens empfohlen.
https://at-verlag.ch/buch/978-3-03902-181-9/jonas-frei-die-haselnuss.html
Je me réjouis beaucoup de goûter les fameuses noisettes de Mettmenstetten! J’aime les noisettes et me réjouis si elles ne voyagent pas trop!
Beaucoup de succès!
Ich schließe mich diesen beiden Meinungen an. Ich liebe Haselnüsse. Kaufe nur wenig.
Danke für dieses tolle Projekt.
Gratulation zu diesem Projekt! Ein grosses Bravo an Crowd Container, die es unterstützt haben und an Herrn Gerber, dessen Engagement herzerfrischend ist. Ich möchte auch viel lieber Haselnüsse aus Mettmenstetten als aus der Türkei! Bin gerne Abnehmerin, wenn es dann soweit ist.
Ich kann mich dem Kommentar von Doris Hausherr voll anschliessen.
Dieses Crowd Container-mail ist mein heutiges „Tagesfröideli „!
Wieder ein kleiner Lichtblick, weiter so!
Auch ich freue mich, dass ich einmal schweizer Haselnüsse kaufen darf.