Pfefferproduktion in Wayanad

17. Juni 2024 | von Bidu Rüegsegger & Melinda Burri
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Indien ist das Land der Gewürze, das macht das Angebot von Crowd Container aus Kerala deutlich. Doch wie wachsen all diese Wurzeln, Kügelchen, Pulver und wundersamen Kochzutaten? Eine Frage, die wir uns auch stellten und dank der Vermittlung von Crowd Container herausfinden durften. Wir besuchten im Februar während unserer Reise durch Südindien eine Farm in Wayanad, Kerala und fanden heraus, wo der Pfeffer wächst.

Noch beim Aussteigen aus dem Bus in Pulpally, einem kleinen Ort im Gebiet Wayanad im Westghats-Gebirge von Kerala, wussten wir nicht, wo und wie lange unser Aufenthalt sein würde. In Südindien scheint das Reisen am besten zu funktionieren, ohne jedes Detail im Voraus planen zu wollen, daran hatten wir uns fast schon gewöhnt. Und dank wilder Elefanten am Strassenrand der letzten Busstrecke wurden wir ermahnt: Die schönsten Dinge passieren sowieso ungeplant.

Nicht weniger beeindruckend ist die Gastfreundschaft, mit der wir empfangen wurden. Shinoj, Leiter der Abteilung für Wayanad von FTAK (Fair Trade Alliance Kerala), brachte uns mit dem Auto vom Dorf in die naheliegenden Farmen hinaus und erzählte dabei von der Organisation. In vier Distrikte ist die Kooperative unterteilt: Kasargod, Kannur, Kozhikode und Wayanad. Die zwei ersteren pflanzen hauptsächlich Kokosnuss und Cashew an, die letzteren hauptsächlich Gewürze. Total sind etwa 4’500 Mitglieder in der Allianz, 1’500 davon in Wayanad. Alle Produkte werden von FTAK in Kozhikode gesammelt und dann über die Firma Elements verpackt und vertrieben.

Beenas & Sajus vielfältiger Wald(garten)

Die Kokosnuss direkt vom Baum – frischer geht nicht!

Wir durften auf dem Hof von Beena und Saju unterkommen, die uns ihr mittlerweile freies Kinderzimmer zur Verfügung stellten. Das Englisch von Saju und Beena war simpel, unser Malayalam gleich null. Oft fehlte es uns an Worten, aber nicht an Willen und Enthusiasmus und so fanden wir immer einen Weg, uns zu verständigen. Es gab eine herzliche Begrüssung für uns zwei Wildfremde und trotz später Stunde ein herrliches Abendessen. An Essen sollte es uns von nun an nicht mehr mangeln, das Anrichten verschiedenster Currys dreimal täglich war essenzieller Bestandteil der Gastfreundschaft von Beena und Saju. Wunderbar für Menschen wie uns, die Essen lieben.

Am nächsten Morgen war die Neugier auf das etwas über eine Hektare grosse Gebiet unterhalb des Hauses gross. Der Waldgarten. Auf sechs terrassenartigen Feldern erstreckte sich eine grüne Wunderwelt, von der schon Vogelgezwitscher und Düfte lockten. Saju offenbarte uns voller Stolz und mit seinem herzerwärmenden Lächeln die verschiedenen Pflanzenarten, die es im Garten zu entdecken gibt. Beim Betreten scheint zwar der Begriff Wald passender als Garten; kaum vorstellbar für das schweizerische Verständnis vom Begriff Garten, doch jede einzelne Pflanze hat ihren Sinn und Platz. Bis zu 20 Metern über dem Boden sorgen Silbereichen, Betelnusspalmen, Kautschuk-, und Tamarindenbäume locker verteilt für etwas Schatten und wirken so gegen das Austrocknen aufgrund der fast senkrecht scheinenden Sonne. Zudem hält die Silbereiche Wasser im Boden und stützt mit den anderen «Hilfsbäumen» die Pfefferpflanzen, die bis 10 Meter daran hochklettern und ab 3-jährig Pfefferkörner produzieren. In der gleichen Höhe wie der Pfeffer sind diverse Bananen- und Kaffeebäume, welche uns auch wegen ihrer Blüten betörten. Im Boden darunter befinden sich bei manchen Terrassen gelber sowie weisser Kurkuma. Auf einer Ebene unterhalb der Waldgärten teilen sich die Betriebe ein Reisfeld, das für uns wie eine grosse Lichtung mitten im Wald aussah.

Während der Trockenzeit muss Saju den Waldgarten einmal pro Woche giessen, ab und zu kommt etwas Kompost unter die neuen Pflanzen, ansonsten kommt der Garten fast allein zurecht. Die Bepflanzung ist klar organisiert, so dass sich die verschiedenen Bäume, Sträucher etc. gegenseitig ergänzen und unterstützen, chemische Behandlungen werden damit überflüssig. Dass es mal keinen Kakao gibt, weil die Früchte von Mäusen und Vögeln beschädigt wurden, ist nichts Aussergewöhnliches. Weil aber die Produzierenden eine Vielfalt von Anbaukulturen pflegen, statt nur auf eine einzige Kultur zu setzen, fällt das auch nicht ins Gewicht. Rund um das Haus und den Waldgarten von Saju und Beena sind ausserdem diverse Nutzpflanzen zum Eigengebrauch: Kokosnusspalmen, Jackfruit-, Curryblatt-, Papaya- und Muskatnuss-Bäume und Kardamom. Und die Handvoll Ziegen sorgen für frische Milch im Kaffee. Alles wurde uns sorgfältig von Saju erklärt, wenn möglich gezeigt wie es geerntet wird und wir durften schauen, tasten, riechen und schmecken.

Dann hiess es mitanpacken – Bidu und Melinda helfen tatkräftig bei der Pfefferernte mit.

Pfeffer ernten & trocknen

Voller Tatendrang konnten wir gemeinsam mit dem langjährigen Erntehelfer einen Tag lang an der Pfefferernte teilnehmen (auch wenn es der Gastfreundschaft etwas zu widerstreben schien) und wurden dabei mit belustigten Lächeln von verschiedenen Seiten begutachtet, kommentiert und fotografiert. Die Hilfsmittel zur Ernte sind ein Tuch zum Umbinden und Sammeln der grünen Pfefferkörner und eine Einholmleiter (Einstableiter/ Halbleiter), an die wir uns erst einmal gewöhnen mussten. Am Abend begleiteten wir Saju, als er die Ernte direkt zum Entfernen der Stiele zu der von FTAK eigens dafür gekauften Maschine brachte. Tuktuks und Autos brachten enorme Säcke voller Pfeffer, ein wie uns schien eingespieltes Team wog die Ernte der jeweiligen Produzierenden, speiste sie in die Maschine und jedes Korn wurde wieder in die Säcke zurückgefüllt, die Stiele kompostiert. Ein geschäftiges Treiben, welches auch Möglichkeit zum Austausch bot.

Gemeinsam stark – ein Schwatz während der Arbeit darf nicht fehlen.

Am nächsten Tag machte Saju frühmorgens ein kleines Feuer hinter dem Haus, um die Pfefferkörner vor dem Trocknen kurz in siedendes Wasser zu geben, damit die schön schwarze Farbe der Körner garantiert war und der Trocknungsprozess in der Sonne von fünf auf zwei Tage reduziert werden konnte. Das sei aber nicht üblich, erklärten uns Saju und Shinoj, als sie sich wieder einmal unseren ewigen Fragen stellten. Normalerweise würden die Körner direkt auf ein flaches Hausdach oder eine Terrasse zum Trocknen gebracht und regelmässig gewendet. Nach dem Reinigen von kleineren Pflanzenresten ist dann das Produkt versandbereit.

Die Pfefferkörner trocknen nach einem kurzen Bad im siedenden Wasser für zwei Tage bis sie die vollen Aromen entwickelt und die typische schwarze Farbe haben.

Kaum zu glauben, wie wenig wir über die Pfefferproduktion wussten, hat es doch dieses Gewürz als unabdingbarer Bestandteil in jede schweizerische Mahlzeit geschafft. Entsprechend dankbar fühlten wir uns, in diesen sorgfältigen und nachhaltigen Prozess eines der häufigst benutzen Gewürze hineinzusehen. So zog uns unsere Neugier auch in die Küche, in der Beena allerlei leckere Currys zubereitete. Oder vielleicht war es auch der herrlich würzige Duft, der uns zog. Wir lernten die Verarbeitung der Kokosnuss zu Öl und Raspeln kennen, die Wichtigkeit von Curryblättern, in der Nase beissende Chilidüfte, die vielen Gewürze und wann sie wohin gehörten und auch verschiedenste Reisgerichte.

Unbekannte Früchte und wilde Elefanten

Wann immer wir etwas Zeit hatten zwischen Essen oder Waldgartenbesuchen, wurden wir zu Verwandten und Nachbar*innen eingeladen, die uns durch ihre Gärten oder Häuser führten und uns so weitere Fragen zu lokalen Pflanzen beantworteten. Zum Beispiel die vor dem Haus trocknenden Nelken, Zimtbäume, deren Äste geschnitten werden, um die innere Rinde zum uns bekannten Zimtpulver zu verarbeiten, Obstplantagen mit unzähligen Früchten, von denen wir noch nie gehört hatten oder Kletterhilfen, mit denen wir Kokosnusspalmen hochkraxelten. Nach der Führung gab es jedes Mal den obligatorischen Tee oder Kaffee mit den Fragen, woher wir kommen, was wir machen und wie uns Indien gefällt. Jedes Treffen voller Herzlichkeit, Freundlichkeit und Interesse. Eine Gastfreundschaft, die wir uns als Vorbild mit in die Schweiz nahmen.

Bis am fünften Tag blieb offen, wie lange wir bleiben würden. Wir hatten es nicht eilig weiterzureisen und Beena und Saju glücklicherweise auch nicht uns loszuwerden. Als wir uns dann aber aufgerafft hatten, um einen Abreisetag zu bestimmen, wurde dieses Vorhaben durch eine grosse Demonstration im Dorf verunmöglicht. Innerhalb einer Woche hatte es bereits den zweiten Angriff von wilden Elefanten auf Höfe in der Umgebung gegeben, bei denen zwei Menschen ums Leben gekommen waren. Die Auseinandersetzung mit Elefanten und Tigern gehört zwar zum täglichen Brot, doch schien es ein Ausmass anzunehmen, welches für die Bewohnenden des Gebiets nicht mehr tragbar war. Diese zweite, grosse Demonstration galt dem Lokalpolitiker, von dem sie mehr Unterstützung forderten, statt auf Wildlife zu setzen. Welche Interessen dieser Politiker genau vertrat, wieso die Elefanten überhaupt angegriffen hatten oder was dagegen unternommen werden sollte, war uns in den Gesprächen nicht auszumachen, eine einfache Lösung gibt es jedenfalls nicht.

Indische Gastfreundschaft während des Besuchs bei FTAK (Fair Trade Alliance Kerala)

Unsere Abreise wurde also auf den nächsten Tag nach dem Kirchengang verschoben. Die Mutter von Shinoj besuchte extra gemeinsam mit der jüngsten Enkelin die frühere Predigt, damit sie uns noch ein leckeres Frühstück zubereiten konnte. Wie so Vieles geschah die Absprache dafür bereits im Vorfeld, wir wurden dann jeweils über einzelne Gegebenheiten des Tages informiert und durften uns einfach mittreiben lassen. Noch beim Abschied lernten wir etwas Neues und diesmal mehr über uns selbst. Als wir bei den zwei Familien je unsere Schweizer Schokolade als klassisches Souvenir vorbeibrachten, drehten beide Male die Beschenkten die Schokolade in ihren Händen und fragten: „Is this fair trade?“ Und etwas beschämt mussten wir jeweils antworten: Nein, denn bei der Auswahl stand die typisch schweizerische Marke im Vordergrund und fair trade ist das leider nicht. Nun, für das nächste Mal ist uns klar, worauf wir unsere Priorität setzen wollen.

Weil wir insbesondere in den Genuss von Beenas wunderbaren Currys kommen durften, möchten wir gerne zwei Rezepte mit euch teilen. Ihr findet die Rezepte hier.

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Bidu Rüegsegger & Melinda Burri

Bidu und Melinda schätzen alle Arten von Gewürzen. Auf ihrer Reise haben sie entdeckt, wie all diese Wurzeln, Kügelchen, Pulver und wundersamen Kochzutaten in Kerala wachsen.

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