Schweizer Haselnüsse im Check – eine klimafreundliche Alternative?
Warum es Schweizer Haselnüsse braucht? Wir sind der festen Überzeugung, dass die Haselnuss einen bedeutenden Beitrag zu einer klimafreundlichen und zukunftsfähigen Landwirtschaft leisten kann. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem Landwirten Stefan Gerber die erste Haselnussanlage im Kanton Zürich etabliert. Aber wie sieht es wirklich aus? Sind Schweizer Haselnüsse tatsächlich klimafreundlicher als diejenigen, die aus den Hauptanbauländern wie der Türkei oder Italien kommen? Wie gross ist die Umweltbelastung eines Beutels Schweizer Haselnüsse? Und wie viel CO2 kann durch den Anbau im Boden gespeichert werden? Wir haben den Praxistest gemacht und eine Ökobilanz durch myclimate erstellen lassen. Die Ergebnisse des Berichts sind auf verschiedenen Ebenen überraschend.
Der Anbau ist hauptverantwortlich für die Umweltwirkung
Vom Feld bis auf den Teller – wir haben den gesamten Lebenszyklus der Schweizer Haselnüsse angeschaut, einschliesslich aller Zwischenschritte wie Knacken, Verpacken, Transportieren und Entsorgen. Ähnlich wie auch schon bei anderen Produkten gesehen, ist der Anbau hauptverantwortlich für die Umweltwirkung. 79 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen und 95 Prozent der gesamten Umweltbelastung entfallen auf die Anbauphase, wie die nachfolgende Abbildung eindrücklich verdeutlicht. Verpackung und Transport sind in diesem Kontext deutlich sekundär.
Eine wichtige Anmerkung an dieser Stelle: Stefan Gerber hat die Haselnussbäume erst 2021 in Mettmenstetten gepflanzt. Bei unserer Messung zwei Jahre danach (2023) war die Ernte mit rund 50 Kilogramm geknackter Nüsse also noch sehr gering. Für die Erstellung der Ökobilanz haben wir daher ein Szenario verwendet: Wir gehen davon aus, dass die Haselnussplantage ab 2028 einen mittleren Ertrag von etwa 4 Tonnen pro Jahr abwirft, wobei diese Annahme eher vorsichtig kalkuliert ist. Auf dieser Grundlage können wir bereits jetzt einen Vergleich mit dem Anbau in der Türkei und Italien anstellen.
Absolute Umweltbelastung in Mettmenstetten am tiefsten…
Betrachten wir die absolute Umweltbelastung pro Hektare, so schneidet Stefan Gerbers Parzelle in Mettmenstetten am besten ab. Sie verursacht die geringsten Treibhausgasemissionen. Allerdings unterscheidet sich der Ertrag, also die Anzahl Kilogramm Haselnüsse pro Hektare, wie die Berechnung im nachfolgenden Abschnitt zeigt.
… aber nicht pro Kilogramm Haselnüsse
In Italien können im Mittel 1’456 kg Haselnüsse pro Hektare geerntet werden, während wir für den Anbau in Mettmenstetten von einem Wert von 1’333 kg pro Hektare ausgehen. Daher schneidet der Anbau in Italien mit 9.4 kPoints* pro Kilogramm roher Haselnüsse besser ab als derjenige in Mettmenstetten mit 10.6 kPoints. Der Anbau in der Türkei weist mit 12.4 kPoints die höchste Umweltbelastung auf. Auch in Italien und der Türkei macht der Anbau den grössten Anteil der Umweltbelastung aus. Dabei fällt die grösste Belastung vor Ort auf der Plantage an («direkte Einflüsse»).
*kPoints sind die Masseinheit, die in Ökobilanzen verwendet wird, um Umweltwirkungen (wie Treibhausgasemissionen, Wasser- oder Energieverbrauch) zu quantifizieren. Je tiefer der kPoints-Wert, desto geringer die Umweltwirkung.
Warum sind die direkten Einflüsse in Mettmenstetten hoch – trotz Bio-Anbau?
Unter «direkte Einflüsse» fällt der verwendete Dünger. In Italien und der Türkei werden chemisch-synthetische Dünger eingesetzt. Diese verfügen über eine tiefere Schwermetallbelastung als der durchschnittliche Schweizer Kompost-Mix. In der Ökobilanz haben wir den Datenbankwert dieses Mixes verwendet, obwohl Stefan Gerber ausschliesslich Bio-Kompost verwendet. Zudem ist davon auszugehen, dass die Schwermetallbelastung des Schweizer Kompost-Mixes durch verschiedene Massnahmen mittel- bis langfristig gesenkt wird. Die Umweltbelastung durch Kompost ist in unserem Fall also eher hoch angesetzt.
CO2-Fixierung im Boden
Doch nicht nur die Treibhausgasemissionen und die Umweltbelastung eines 250g-Beutels Haselnüsse sind wichtig, um herauszufinden, inwiefern die Haselnuss zur Förderung einer klimafreundlichen Landwirtschaft beitragen kann. Darum haben wir auch modelliert, wie viel CO2 durch den Haselnussanbau im Boden gespeichert werden kann. Die gute Nachricht zuerst: Durch den Haselnussanbau kann CO2 im Boden gespeichert werden. Im Vergleich zu den vorherigen Nutzungsformen (40% Wiesen- und 60% Ackerland), ergibt sich eine Fixierung von -3.66 kg CO2e pro Kilogramm geernteter, roher Haselnüsse.
Leider können wir trotzdem nicht einfach haufenweise Haselnussbäume pflanzen, dadurch CO2 im Boden speichern und weiterhin unbegrenzt Treibhausgase emittieren. Wieso? Weil die Resultate nur während des Aufbaus der Plantage gelten. Erreichen die Bäume ihre volle Grösse, findet kein zusätzlicher Aufbau von Biomasse mehr statt, also auch keine zusätzliche CO2-Fixierung. Ab diesem Zeitpunkt (nach ca. 20 Jahren) wird von einem Gleichgewichtszustand ausgegangen: Die Freisetzung von CO2 durch das Ableben eines alten Baumes wird durch das Wachstum eines neuen Baumes ausgeglichen. Auch im Boden hat sich ein neues Gleichgewicht eingestellt, da keine Änderung der Bepflanzungsform mehr stattfindet.
Fazit
Entscheidend ist nicht der Ort des Anbaus, sondern die Art und Weise, wie Haselnüsse angebaut werden. Obwohl Schweizer Haselnüsse eine geringere Umweltbelastung durch den Transport verursachen (wobei hier noch Verbesserungspotenzial besteht), liegt der Fokus auf der Anbauphase. Der Haselnussanbau in Mettmenstetten schneidet absolut betrachtet zwar am besten ab. Die Umweltbelastung pro Kilogramm Haselnüsse ist aufgrund der angenommenen geringeren Ernte aber höher als bei italienischen Haselnüssen.
Sobald die Haselnussplantage im Vollertrag ist, müssen die aktuellen Annahmen erneut überprüft werden: Wenn die Ernte grösser ausfällt als angenommen, ist auch die Umweltbelastung pro Kilogramm Haselnüsse geringer. Auch die Schwermetallbelastung durch Bio-Kompost bedarf nochmals einer detaillierten Betrachtung.
Abschliessend kann gesagt werden: Ja, Schweizer Haselnüsse sind eine klimafreundliche Alternative, denn es wird viel CO2 im Boden gespeichert. Allerdings kann diese CO2-Fixierung reversibel sein. Sollte in Zukunft kein Haselnussanbau in Mettmenstetten mehr betrieben und die Bäume ausgerissen werden, erfolgt eine Freisetzung des gebundenen CO2. Gemeinsam mit Stefan Gerber bleiben wir jedoch dran, um den Haselnussanbau nicht nur in Mettmenstetten weiterzuverfolgen, sondern in der gesamten Schweiz zu ermöglichen und voranzutreiben.
Hier geht’s zum vollständigen Bericht.
Tatsächlich ein spannender Bericht – vielen Dank! Und es ist toll, das dieses Projekt in der Schweiz umgesetzt wird, den Initianten viel Erfolg!
Was mich bei solchen Umweltanalysen immer etwas stört, ist der fehlende Gesamtblick. Klar ist die Klimabilanz zentral, aber es gibt so viele andere Gründe, die dafür sprechen, vermehrt regional zu konsumieren – allen voran die sozialen Bedingungen. Die Haselnussproduktion in der Türkei steht immer wieder in der Kritik, dass Kinderarbeit vorkommt. Auch in Italien sind die Arbeitsbedingungen teilweise deutlich schlechter. Zudem ist die Verwendung von Pestiziden in der Schweiz klarer geregelt.
Wir haben dieser Gesamtbetrachtung kürzlich im Naturpark Gantrisch einen Artikel gewidmet – hier nachzulesen: https://www.gantrisch.ch/regionale-produkte-nachhaltige-produkte/
Zudem gab es vor einiger Zeit in der Zeitschrift „Reportagen“ einen sehr fundiert recherchierten Artikel über den Haselnussanbau und seine Konsequenzen in Italien: https://reportagen.com/reportage/wie-nutella-italien-frisst/ (leider braucht es dafür ein Konto).
Ich bin absolut nicht gegen Klimabilanzen und verstehe, dass sich MyClimate darauf konzentriert, aber es wäre wünschenswert, dass die anderen Aspekte zumindest in einem Satz auch erwähnt würden im Blogbeitrag. Ansonsten: Danke Crowd Container für eure Arbeit!
Hallo Katharina,
danke für deine Rückmeldung und das Teilen der Links (der «Reportagen»-Link hat bei mir auch ohne Konto funktioniert). Wie du in deinem Beitrag richtig schreibst, ist die Sachlage sicherlich komplex und eine Gesamtbetrachtung darum sehr wichtig! Ebendiese ist für uns bei Crowd Container zentral, darum schaffen wir 100% Transparenz – vom Feld bis auf den Teller. Bei all unseren Produkten aus der Schweiz, Sizilien, Andalusien, Kerala und Peru wissen wir, wer diese herstellt und wie die beteiligten Akteur*innen entschädigt werden. Im Zentrum steht das «Wie» (die Produkte angebaut werden und die Menschen entlöhnt werden) und weniger das «Woher» (die Produkte kommen) – natürlich unter Berücksichtigung der Gegebenheiten und Anbauzyklen an den jeweiligen Orten. Mehr dazu hier: https://crowdcontainer.ch/ueber-uns/
Mit dem Haselnussprojekt decken wir verschiedene Bereiche ab, alle Informationen zum Projekt findest du hier: https://crowdcontainer.ch/projekte/lokale-haselnuesse/. Auch weil Ökobilanzen nicht alles beinhalten, haben wir beispielsweise die Biodiversität genauer untersucht: https://crowdcontainer.ch/wildbienen-lieben-haselnuesse/
Ein herzliches Ahoi,
Beni
Danke für die verständliche Zusammenfassung! Was ich nicht ganz verstehe im letzten Abschnitt (Fazit): Wird das im Boden gebundene CO2 wirklich freigesetzt, wenn die Haselsträucher durch eine andere Kultur würden? Ist nicht das im Holz gebundene CO2 die bedeutendere Emissionsquelle, sollten die Sträucher später gehäckselt und verbrannt werden?
Hallo Mike, danke für dein Feedback und deine Frage. Wie du richtig schreibst, wäre das Verbrennen des Holzes, in dem auch CO2 gebunden ist, eine weitere Emissionsquelle. Inwiefern diese aber bedeutender ist als die Freisetzung des im Boden gebundenen CO2, lässt sich nicht abschliessend beurteilen. Es gibt hier keine eindeutige Antwort, weil es darauf ankommt, wie der Boden nach der Haselnuss-Plantage bewirtschaftet würde. Je nachdem ob ein Wald aufgeforstet wird, andere Kulturpflanzen angebaut werden, oder eine Wiese entsteht, kann mehr oder weniger Kohlenstoff im Boden gebunden werden als bei der Haselnuss-Plantage.
Da bleibt für mich nur noch die Frage, wann kriegen wir die ersten Nüsse von Crowd Container geliefert?
Freue mich schon darauf!
Hallo Erhard, wir konnten schon letztes Jahr einige (wenige) Packungen Haselnüsse liefern. Wenn alles rund läuft, dann gibt es auch dieses Jahr wieder Haselnüsse von Stefan Gerber. Voraussichtliche Lieferung ist im November.
Sehr differenzierte, kritische Analyse! Nachvollziehbare Beurteilung von Vor- und Nachteilen der Produktion von Haselnüssen in Mettmenstetten im Vergleich mit dem Anbau in Italien und der Türkei.
Grosses Kompliment!
Sollte allgemeinere Richtung werden in Schweizer und benachbarter Landwirtschaft, denn Nüsse sind ernährungsphysiologisch quasi perfekt, als Ersatz für tierische Produktion.
So gut und informativ! Vor allem die volle Ehrlichkeit und Transparenz auch beim eigenen Projekt finde ich super! Danke!