«Wir haben 27 verschiedene Vogelarten beobachtet.»

09. November 2023 | von Simone Häberli
Food Forest auf Sizilien

Es ist unser Herzensprojekt auf Sizilien: Im sogenannten «Food Forest» haben wir mehrere Hundert Bäume, subtropische Pflanzen wie Avocados, Hecken und Gemüse auf derselben Fläche gepflanzt, um ein zukunftsfähiges Anbausystem zu etablieren. Entstanden ist ein gross angelegtes Permakultur-Projekt, dessen Einfluss auf die Umwelt wir auch wissenschaftlich begleiten. Nun war es an der Zeit, mit dem Mann zu sprechen, der erste Zwischenresultate präsentieren kann: Rafael da Silveira Bueno, unser Projektleiter vor Ort und Ökologe an der Universität Palermo, hat uns sieben Fragen beantwortet.

1. Was reizt dich am Projekt «Food Forest»?

Der Food Forest liegt auf einer hügeligen Fläche in einer trockenen Gegend auf Sizilien, die vor unserem Projekt kaum bewirtschaftet wurde. Diese Ausgangslage war für das Projekt ideal – ich konnte die Anordnung der Pflanzen von Grund auf designen und hatte beste Voraussetzungen, um gute Vorher-Nachher-Vergleiche zu ziehen. Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass eine Anbaufläche mit ganz unterschiedlichen Pflanzen dank ihrer Diversität widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel ist und gleichzeitig darauf erfolgreich Landwirtschaft betrieben werden kann.

2. Wie ist der Food Forest aufgebaut?

Die rund 5 Hektar grosse Fläche ist in vier Bereiche aufgeteilt. Das kann man sich vorstellen wie ein grosses Mosaik. Diese Struktur erlaubt einen besseren Überblick über die verschiedenen Zonen und macht es möglich, Veränderungen in der Natur besser wahrzunehmen. 

Im Kernbereich wachsen unter anderem alte Obstsorten, Eschen, Walnuss und Gewürzpflanzen. Daneben wurden subtropische Pflanzen wie zum Beispiel Avocados gepflanzt. Entlang der Höhenlinie haben wir Gemüse gemeinsam mit verschiedenen Zitrusfrüchten angelegt. Umringt ist der Food Forest von einer Brombeerhecke, angereichert mit Sträuchern und Bäumen, welche die Biodiversität erhöhen und gleichzeitig als Windschutz dienen.

Projektleiter Rafael da Silveira Bueno (links) im Gespräch mit Beni von Crowd Container im Food Forest auf Sizilien

3. Wie bist du wissenschaftlich vorgegangen?

Bevor wir vor rund zwei Jahren den allerersten Baum im Food Forest gepflanzt haben, haben wir die erste Bodenprobe genommen. Das war zentral als Ausgangspunkt für alle weiteren Tätigkeiten, die danach folgten. Dann, zwei Jahre später, haben wir eine zweite Bodenprobe genommen und diese mit der ersten Probe verglichen. Diese Resultate haben uns dann natürlich sehr interessiert – die Fläche war optisch nicht mehr wiederzuerkennen. Schliesslich wachsen mittlerweile alte sizilianische Obstsorten, verschiedene Zitrusarten sowie Oliven- und Avocadobäume und vieles mehr an diesem Ort.

4. Hat sich der Boden im Food Forest verändert?

Ja, definitiv. Eine der wichtigsten Parameter zur Beurteilung der Bodengesundheit ist die organische Substanz, der Humus. Er enthält viele wichtige Nährstoffe für Pflanzen und ist ein zentraler Lebensraum für die Bodenlebewesen. Bemerkenswert ist, dass der Humusgehalt im Kernbereich des Food Forest deutlich gesteigert werden konnte. Dort also, wo alte Obstsorten, Esche, Walnuss, Gewürzpflanzen und essbare mediterrane Arten miteinander wachsen und weder eine Bodenbearbeitung durchgeführt noch eine besondere Düngung oder Bewässerung vorgenommen wurde.

Rafael da Silveira Bueno (rechts) zeigt die Bodenbeschaffenheit im Food Forest auf Sizilien

5. Wie hat sich die Tierwelt im Food Forest über die Jahre entwickelt?

Wir haben in den letzten zwei Jahren während der verschiedenen Jahreszeiten die Vögel, Schmetterlinge, Bienen und Wespen gezählt und dokumentiert. Diese Tiere sind alles wichtige Indikatoren für die Biodiversität und für die Qualität der Umwelt, da sie unmittelbar auf Veränderungen in Ökosystemen reagieren.

Unsere Zählungen weisen auf einen positiven Impact hin: In den drei Jahreszeiten konnten 27 verschiedene Vogelarten beobachtet werden. Im Kernbereich sowie im Bereich der Agroforstwirtschaft mit Zitrusfrüchten und Gemüse kamen die meisten vor (10 Arten). Gewöhnliche Herden-Arten wie Tauben und Spatzen wurden in grosser Zahl beobachtet, gefolgt von der europäischen Elster.

Während der drei Erhebungen wurden zusätzlich 34 Bienen-, Schmetterlings-, Libellen- und Wespenarten beobachtet. Der Bereich mit der grössten Vielfalt war die Brombeerfläche mit 17 Arten! Diese hohe Zahl war auf die gleichzeitige Blüte von Brombeeren zurückzuführen, die viele Insekten angelockt hat.

Hier gehts zum vollständigen Biodiversitätsbericht

Es kriecht und fleucht im Food Forest

Beim Zählen der Insekten wurden unter anderem ein kleiner Feuerfalter (Lycaena phlaeas), eine Insel-Pechlibelle (Ischnura genei), grosse Wollbiene (Anthidium manicatum) und eine Feuerlibelle (Crocothemis eritrea) gesichtet:

6. Was hat dich an deinen Untersuchungen am meisten beeindruckt?

Dass es bereits viele Indizien gibt, dass das mit dem Food Forest geschaffene Mosaik als die beste Strategie gesehen werden kann, um die Artenvielfalt von Vögeln und Insekten zu erhalten und zu verbessern. Und auch die im Rahmen des Pionierprojekts angewandten landwirtschaftlichen Praktiken, wie zum Beispiel eine möglichst geringe Bodenbearbeitung, weisen schon jetzt auf ein hohes agrarökologisches Potenzial hin: Produktive Landwirtschaft wird mit guten Praktiken zur Förderung der Biodiversität und der Bodenerhaltung kombiniert.

7. Wie geht es nun weiter? Und wann wird erstmals eine Ernte möglich sein?

Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden die Bäume im Food Forest Früchte tragen und eine Ernte ermöglichen.

Inwiefern eine optimierte, effiziente Bewirtschaftung die ökologische Wirksamkeit steigern kann, muss sich noch zeigen. Ebenso werden wir auch die Entwicklung der Biodiversität weiterverfolgen und einen Vergleich mit anderen Betrieben anstreben – einen Bericht mit den entsprechenden Daten möchten wir 2025 publizieren.

Aus einer Landwirtschaft mit Zukunft

Simone Häberli

Die leidenschaftliche Gemüsegärtnerin bindet unsere Community aktiv mit ein und liebt es, die richtigen Menschen miteinander zu vernetzen.

6 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Elisabeth Friedl am 17. November 2023 um 13:45

    Ein grosses und herzliches Dankeschön an alle die an diesem Projekt mitarbeiten.

    Es ist so wohltuhend von Menschen zu hören die nicht einfach nur an den Profit denken sondern MIT der Natur gehen, und ihr Raum lassen.
    Lis

  2. Veröffentlicht von Christine Taormina am 13. November 2023 um 6:51

    So schön zu lesen wie ihr zur natürlichkeit in der Landwirtschaft zurückfindet. Mich freut es vorallem weil es au Sizilien gemacht wird, eine Insel wie geschaffen für ein solches Projekt, bravo und Danke.
    Ich habe schon Bestellungen bei Euch gemacht und weiterhin bestellen. Mir gefallen die Produkte gut. Lg Christine Taormina

    • Veröffentlicht von Sabine Thommen am 13. November 2023 um 10:12

      Hallo Christine
      Danke für das motivierende Feedback und deine Unterstützung auf dem Weg zu einer diversen, kleinflächigen Landwirtschaft!
      Liebe Grüsse
      Sabine

  3. Veröffentlicht von Ruth Thommen am 11. November 2023 um 8:34

    einfach nur grossartig!

    vielen dank für diese Berichte aus dem süden

    Herzenswärme und seelennahrung

    Ruth aus dem winterlichen Masein

  4. Veröffentlicht von ursula braunschweig-lütolf am 11. November 2023 um 7:32

    Wo genau ist dieser Food Forest?

    • Veröffentlicht von Sabine Thommen am 13. November 2023 um 10:32

      Hallo Ursula.
      Danke für dein Interesse und die Nachfrage. Der Food Forest liegt in Nordwestsizilien, genauer in Parrini, auf dem Gemeindegebiet von Partinico.
      Liebe Grüsse
      Sabine

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