Zu Besuch bei den Wächtern des Timilia-Korns
Die Landschaft um Camporeale im sizilianischen Hinterland leuchtet im Frühsommer in eindrücklichen Farben: Saftig grüne Felder, frech pinke Blüten des italienischen Süssklees sulla und ein strahlend blauer Mai-Himmel. Bereits am ersten Morgen meines Besuchs bei den Produzent*innen von Valdibella bringen mich Caterina, langjährige Mitarbeiterin, und Massimiliano, Präsident der Kooperative, zu einem Feld von Valdibella, von welchem wir einen eindrücklichen Blick über die Region haben. Diese ist geprägt von sanften Hügeln und kleinräumiger Landwirtschaft soweit das Auge reicht.
Als Mitgründerin von Crowd Container und Spaghetti-Konsumentin der ersten Stunde bin ich nun endlich zu Besuch bei unseren süditalienischen Partner*innen und Freund*innen der Bauernkooperative Valdibella! Die lange Zugreise quer durch Italien habe ich unter anderem deshalb in Angriff genommen, weil ich dem Timilia-Korn, einem alten süditalienischen Hartweizen, aus welchem wunderbare Pasta hergestellt wird, auf den Grund gehen möchte.
Massimiliano war vor über 20 Jahre Initiant von Validbella und arbeitet seither auch als agronomischer Berater für die kleine und lokal verankerte Kooperative. Er erzählt mir, dass Timilia – oder „tuminnia“ auf gut Sizilianisch – in Süditalien eine mehrere hundert Jahre alte Geschichte hat und von den Leuten seit jeher angebaut wurde. Im Zuge der verstärkten landwirtschaftlichen Industrialisierung und Internationalisierung der vergangenen Jahrzehnte sind alte traditionelle Hartweizensorten in der Region jedoch immer seltener geworden. Valdibella hat es sich bereits vor Jahren zur Aufgabe gemacht, dem Timilia-Korn besonders Sorge zu tragen und es wieder vermehrt zu kultivieren.
Im Verlauf des Tages besuchen wir dann zwei Timilia-Produzenten der Kooperative, Enzo und Filippo. Beide Bauern haben je eine Hektare von ihrem Land zur Verfügung gestellt, um darauf sortenreines Timilia-Saatgut zu züchten und dieses zu reproduzieren. Sie sichern damit allen 12 Valdibella-Produzent*innen ausreichend und qualitativ hochwertiges Saatgut. Filippo und Massimiliano erzählen mir dann auch sichtlich stolz, dass die Bäuer*innen von Valdibella seit einem Jahr als agricultori custodi anerkannt sind. Ende 2015 wurde in Italien nämlich eine gesetzliche Bestimmung zum Schutz und zur Verbesserung der biologischen Vielfalt im Interesse der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie verabschiedet. Seither können italienische Produzent*innen und Produzent*innengruppen sich als „Wächter“ von einzelnen Kulturpflanzen, welche vom Aussterben bedroht sind, registrieren lassen und erhalten den konkreten Auftrag, diese Kulturpflanze zu bewahren, vermehrt zu produzieren und zu vermarkten.
Die passionierten Produzenten erklären mir dann auch in breitem Sizilianisch, wie wichtig die Einhaltung einer idealen Fruchtfolge für ihr Ackerland ist und wie der Timilia-Weizen rotierend auf unterschiedlichen Feldern und abwechselnd mit verschiedenen Hülsenfrüchten – darunter Kichererbsen und schwarze, grüne oder rote Linsen – angebaut wird. Alle 5-7 Jahre wird auf einem Acker dann für zwei Saisons der sulla-Klee angepflanzt, damit der Boden seine Fruchtbarkeit wieder regenerieren kann. Beim gemeinsamen Mittagessen mit dem Team von Valdibella komme ich dann auch in den Genuss vom süss-aromatischen sulla-Blütenhonig, den wir zum Dessert zusammen mit Tuono-Mandeln geniessen.
Als Caterina, Massimiliano und ich uns am Abend bei einem Teller Spaghetti und einem Glas Wein über alles mögliche austauschen und ich erwähne, dass mir nicht nur die Zimtnote in der Timilia-Pasta sehr gefällt, sondern mir Penne, Linguine & Co. auch nie schwer aufliegen, erzählt Caterina freudig von einem Zukunftsprojekt: Valdibella hat zusammen mit zwei anderen Produzent*innengruppen aus der Region und mit der Universität Palermo ein Forschungsprojekt eingereicht, um die gute Verdaulichkeit des Timilia-Korns wissenschaftlich zu belegen. Besonders freut es sie, dass sie eine Kooperation mit der medizinischen Fakultät von der Universität eingehen konnten und sich somit auch medizinische Spezialist*innen mit den positiven Eigenschaften ihres Lieblingsgetreides auseinandersetzen werden. Sie ist überzeugt davon, dass die Wissenschaft belegen wird, was die Leute in Sizilien schon seit langem wissen: Timilia ist gesund!
Nach einem langen Tag mit unzähligen Eindrücken und neuen Infos gehe ich kurz vor Mitternacht müde und zufrieden schlafen und freue mich schon auf den nächsten Morgen, denn ich werde die Ölmühle und Valdibellas eigenen Weinkeller besuchen…
[…] Sie sehen sich als Hüter einer der ältesten Hartweizen-Sorten auf Sizilien, der Timilia. Mehr dazu im Blog von Carole. Diese ist nicht nur äusserst robust und kann so ganz ohne Pestizide angebaut werden, sondern sie […]
es ist wunderbar, wie in sizilien diese alte hartweizensorte eine überlebenschance bekommen hat, so kostbar und einzigartig.
ich fühle mich glücklich, den zugang zu solch nachhaltig produzierten essgenüssen zu haben.
ich wohne auf der anderen talseite vom hof dusch im domleschg, habe also ein stück paradies vor meiner haustüre. ich bin zutiefst dankbar.
so schicke ich euch herzgrüsse vom heinzenberg