Wohin fliesst das Geld unserer Einkäufe?

07. November 2022 | von Benjamin Krähenmann
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Wie transparent sind die Lieferketten unserer Lebensmittel? Und welche Akteur*innen erhalten eigentlich das grösste Stück des Kuchens? Diese Fragen haben wir im Rahmen des letzten FoodTalks 2022 in Zürich diskutiert. Folgende Expert*innen* standen den 30 Anwesenden Red und Antwort:

FoodTalk vom 7. November 2022 im Debattierhaus Karl der Grosse

Bedeutung der Transparenz in den Lieferketten
Die Expert*innen sehen Transparenz in den Lieferketten als Gewinn, weil dadurch alle über die gleichen Informationen verfügen. Transparenz betrifft dabei verschiedene Bereiche wie Löhne, Preise und Verkäufe. Dadurch kennen z.B. die Produzent*innen das gesamte Preisgerüst. Persönliche Kontakte und ein enger Austausch zwischen Konsument*innen, Händler*innen und den Produzent*innen sind zentral. Nur am Computer zu sitzen, reicht nicht.

In welchen Bereichen mangelt es an Transparenz in den Lieferketten?
Der Detailhandel ist intransparent hinsichtlich der Preiszusammensetzung und der eigenen Margen. Diese Aussage wurde auf dem Podium und den Teilnehmenden im Publikum angeregt diskutiert. Eine Erklärung dafür sei das fehlende Interesse der Detailhändler*innen, diese Transparenz zu schaffen: Durch Transparenz entsteht mehr Raum für Diskussion und kritische Fragen, die jedoch aus der Sicht des Detailhandels lieber vermieden wird. Ein anderer Ansatz lautete, dass die Preiszusammensetzung bei vielen Produkten sehr komplex sein kann. Wenn zur Diversifizierung und Risikominimierung ein Produkt aus mehreren Ursprüngen beschaffen werden, z.B. Cashewnüsse aus Burkina Faso und Vietnam, dann erschwert dies eine genaue und transparente Aufschlüsselung. Bei Crowd Container zum Beispiel stammen ebensolche Cashewnüsse aus nur einem Ursprung (Indien), ergo ist die Transparenz viel einfacher zu gewährleisten.

Zudem wüssten gemäss dem Grosshändler Tiziano Marinello die Detailhändler*innen sehr genau, was die Importeur*innen und die Produzent*innen verdienen. Preistransparenz ist also in diesen Teilen der Lieferkette vorhanden, aber den Einkäufer*innen des Detailhandels sei es egal, dass jemand in der zweiten oder dritten Reihe in der Lieferkette zu wenig verdient. Das sei problematisch.

Möglichkeiten für transparente und fair ausgestaltete Lieferketten
Wie kann ich als Konsument*in trotzdem möglichst transparente Lebensmittel kaufen?
Ein gewisses Interesse an der Lebensmittelherstellung ist Voraussetzung: Als Konsument*in kann ich mich zum Beispiel auf dem Markt oder bei transparenten Verkäufer*innen wie Crowd Contaienr informieren. Es braucht zudem eigenes (organisiertes) Engagement: Die «Grossen» bewegen sich zumeist erst dann, wenn sie den Druck aus der Zivilgesellschaft (siehe Landwirtschaft mit Zukunft) spüren oder ein (Lebensmittel-)Skandal publik gemacht wird (siehe SRF-Beitrag zur Haselnussproduktion in der Türkei).

Ist das Instrument der Abnahmegarantie die Lösung…
Marinello schliesst keine strikten Abnahmeverträge ab: Der Grosshändler garantiert seinen Produzenten-Partner*innen also nicht im Voraus, dass er beispielsweise 80% der gesamten Rüebliernte übernimmt. Grundsätzlich versucht man aber, sich gegenseitig zu unterstützen. Die Partnerschaften bestehen oftmals schon viele Jahre, diese Zusammenarbeit möchte man weiterführen, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Es wird möglichst eng mit den Bäuerinnen und Bauern zusammengearbeitet: Ist zum Beispiel Stangensellerie aus der Schweiz verfügbar, bezieht man diesen direkt bei den Produzent*innen. Auch dann ist aber nicht klar, wie viel beispielsweise die Mitarbeitenden im Betrieb verdienen oder wie hoch die Direktzahlungen sind. Ausserhalb der Saison wird der Stangensellerie von ausländischen Kooperativen importiert, mit denen man ebenfalls Partnerschaften pflegt. Ein direkter Kontakt zu den Produzent*innen besteht aber nicht.

Auch bei Crowd Container gibt es keine Abnahmegarantien, da nicht vorausgeplant werden kann, wie viel effektiv verkauft wird. Wichtig ist zudem, dass keine zu grossen Abhängigkeiten entstehen. Die Zusammenarbeit funktioniert daher wie folgt: Die Produzent*innen bieten ihre Produkte in den verfügbaren Stückzahlen an. Crowd Container kümmert sich dann um den Verkauf, wobei der Absatz auf kleine Abnehmer*innen (d.h. Endkonsument*innen) verteilt wird, sodass das System und die Preise stabiler sind.

… oder braucht es eine Direktunterstützung («Trinkgeld») für Produzent*innen?
Die Expert*innen sind sich einig, dass der Markt so ausgestaltet sein soll, dass faire Preise gemacht werden können. Es braucht unabhängige Strukturen, um bessere Bedingungen für Produzent*innen herzustellen. Nicht zu vernachlässigen ist ausserdem die Tatsache, dass auch heute schon viele Bäuerinnen und Bauern gut verdienen und leben.

Wie können Lieferketten transparenter gestaltet werden?

  • Sensibilisierungsarbeit ist wichtig, damit mehr Menschen auf die Problematik aufmerksam werden
  • Als Konsument*in kann ich mich im direkten Austausch mit den Produzent*innen informieren (bspw. auf dem Wochenmarkt oder via Crowd Container)
  • Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit unser Ernährungssystem transparenter wird
  • Die Grossverteiler*innen stehen in der Pflicht: Sie müssen sich stärker engagieren und auch an solchen Diskussionen teilnehmen
  • Es braucht Initiativen wie Crowd Container oder Koopernikus, die sich für mehr Transparenz einsetzen

*Johannes kümmert sich bei Lightwave um die IT. Lightwave ist eine Direktvermarktungsplattform, die Produzent*innen mit Verarbeiter*innen oder Händler*innen (B2B) verbinden möchte. Die Mitglieder der Genossenschaft Koopernikus können diese Plattform nutzen. Marisa kümmert sich bei Crowd Container um die Beschaffung von Lebensmitteln und die transparente Belieferung von Privatkund*innen mit Produkten direkt vom Hof. Tiziano ist im Grosshandel tätig, seine Marinello + Co AG beliefert Gastronomiebetriebe.


Der FoodTalk wird gemeinsam organisiert von Crowd Container, dem Ernährungsforum Zürich, KernGrün und Slow Food Zürich Stadt.


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Benjamin Krähenmann

Der Umweltingenieur hält Ausschau nach Projekten mit positivem Impact auf Mensch und Umwelt. Über neue Köstlichkeiten für das Crowd Container Sortiment denkt er am liebsten auf einer Velotour oder beim Brot backen nach.

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